Rabenhof: Molden, Strauss und Soyka in Erdbergs Mitte

(c) Clemens Fabry
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Ein äußerst gelungener Lieder- und Leseabend im Theater im Rabenhof: das Buch „Wien Mitte“ als Show.

Als Schriftsteller ist Ernst Molden ein Meister der Kurzstrecke. In seiner Kolumne „Wien Mitte“ schafft er es mit großer Beständigkeit, die Leser zu kleinen Spaziergängen zu animieren, führt sie zu gewöhnlichen Orten in Wien und lehrt sie, Besonderes zu sehen. Dieses Flanieren mit Molden weckt die Liebe zum Detail.

Als Musiker ist Ernst Molden ein Original. Manchmal erinnert er an Leonard Cohens Melancholie, er kann aber auch fast so rau singen wie Tom Waits. Weil er diese Verwandtschaften unauffällig hält und lieber das Wienerische betont, kann man sagen, seine Lieder sind eigen.

Der Dichter und Musiker Ernst Molden war am Sonntag im Theater im Rabenhof zu Gast, dem Epizentrum seiner Texte, die rund um Erdberg und sogar hinauf bis zum pompösen Stubentor angesiedelt sind. Er hatte für die Premiere von „Wien Mitte“ als Show Verstärkung mitgebracht: Schauspielerin Ursula Strauss las kongenial aus dem Buch seiner gesammelten Kolumnen, sie sang auch abwechselnd mit ihm seine Lieder, manchmal im Duett, Walter Soyka begleitete sie auf der chromatischen Wiener Knopfharmonika und raunzte selbst beherzt mit, wenn es besonders wienerisch wurde.

Ein Gefühl wie beim Heurigen

Was soll man sagen? Schön war's. Das Publikum saß zwar auf der finsteren Seite im Rabenhof, während auf der Bühne je nach Stimmung farbige Lichtspiele abgefeuert wurden, aber es herrschte beinahe die Seligkeit eines besonderen Heurigenbesuches, den man im interessanten Zustand der Unruhe leicht schwankend verlässt. Strauss, von einem schweren Unfall gerade genesen, wirkte beim Rezitieren am Anfang etwas nervös, sie musste sich erst ein wenig einstimmen zwischen Poesie und kraftvollen Tönen, neben dem unter der Bedeckung eines breiten Hutes buddhistisch versenkten Molden und dem fantastisch aufspielenden Soyka, doch bald schon agierte auch sie ganz sicher. Der Abend gewann an Lockerheit.

Die Texte führten zum Flakturm, in Parks, zu Moldens liebstem Lampengeschäft, es wurde über das Verschwinden kleiner Manufakturen in Erdgeschoßen getrauert, die den Alltag zeigten, aber Garagen weichen mussten, als viele Häuser neue Dachwohnungen erhielten. Bürgermeister Lueger hinterm Stubentor im Ersten bekam als „Herr Dr. Karl“ sein Fett ab, weil er vor hundert Jahren Leute verhetzt hatte. Und das Weinviertel kriegte den Blues: Ohio mutierte zu Laa an der Thaya. Damit es aber nicht zu gemütlich blieb im November, gab es schließlich ein erweckendes Frühlingslied. Großer Applaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2014)

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