Das Leben, eine Enttäuschung: Theater der Einsamkeiten

(C) Theater Nestroyhof/ Wiener Wortstätten
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Uraufführung von „Zwischenzeit“ im Theater Nestroyhof.

„Du wirst deiner Mutter immer ähnlicher“, sagt die kleine Halbschwester, und sie sagt es, als wäre es die schlimmste Beleidigung. „Sie war auch deine Mutter, Mina“, kontert die große. Man ahnt schon zu Beginn des im Theater Nestroyhof-Hamakom uraufgeführten Stücks „Zwischenzeit“: Einfach wird das nicht zwischen den beiden.

Mina (Maya Henselek) war ihr Leben lang auf der Flucht vor dem Trott, der Familie und dem latenten Rassismus in der Kleinstadt. Als ihr persischer Vater in sein Land zurückkehrte, ging sie mit. Nun ist er tot, und Mina besucht nach langer Zeit ihre große Schwester, mit der sie schon als Kind nicht konnte. Diese (Sonja Romei) lebt inzwischen das Leben, das sie sich immer gewünscht hat: Anwaltsgattin, Wohnung, Baby. Dennoch ist sie enttäuscht: Ihr Mann ist ein schüchterner Versager. Das Baby schreit. Nur die kleinbürgerliche Wohnung, die scheint ganz okay zu sein. Auf der anderen Seite der Bühne sitzt ihr Mann in seiner Kanzlei, der aus Angst vor Klienten das Telefon nicht abhebt. Raphael von Bargen mimt auf überzeugende, schon komische Weise den unbeholfenen Feigling mit der viel zu kurzen Krawatte. Er schmachtet nach der blonden Schönheit an der Bar, wo er jeden Abend das Nachhausegehen hinauszögert. Die Schönheit (Julia Jelinek) ist auch nur dort, um sich zumindest einmal am Tag bewundert zu fühlen. Brav dankend hat sie sich von ihrem Chef verabschiedet, nachdem der sie gekündigt hat. Der Prinz auf seinem weißen Ross wird schon noch kommen...

Die junge deutsch-iranische Autorin Azar Mortazavi hat vier einsame, neurotische – und darin glaubhafte – Charaktere geschaffen, die sich ihr Leben allesamt anders vorgestellt haben. Den flotten Text inszeniert Hans Escher kurzweilig, aber brav und ohne große Höhepunkte. Das hysterische Kreischen der überforderten Maria fließt da traumartig in die Monologe ihres Mannes, der seine Frau nur in Gedanken betrügt. Aus den Lautsprechern plätschern sanfte, leise Töne. Schließlich kreuzen sich die Wege der Protagonisten, die Einsamkeit bleibt. Der große Showdown kommt nicht. (kanu)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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