Kosmostheater: Tanz der Kraftlackeln und der Empfindsamen

(c) Kosmostheater/ Bettina Frenzel
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Beim Tanzkosmos-Festival war zuerst die „Manpower“ dran. Die Frauen folgen.

Kurz vor der ersten Performance des diesjährigen Tanzkosmos-Festivals trat Kuratorin Editta Braun vor das Publikum, um das heurige Motto zu erklären: Seit Tom alias Conchita den Songcontest gewonnen habe, sei man in Österreich offener, was die Frage angeht, welche sexuelle Ausrichtung jemand lebt. Das sei völlig „Egal – equal“, wie das Festival auch postuliert. Hier bekommen die Männer und die Frauen ihren Abend. Die „Manpower“ war zuerst dran: Am Dienstag gingen im Kosmostheater vier Stücke über die Bühne, die sich mit männlichen Verhaltensmustern beschäftigten. Auch mit jenen, in denen sich Männer von Frauen gar nicht unterscheiden.

Samuel Kirschner etwa will reden. Er plaudert in teils unverständlichem Kauderwelsch drauflos, gestikuliert, echauffiert sich über irgendetwas, als würde er seinen besten Freunden das Herz ausschütten, bevor er das Publikum mit einer expressiven Performance entzückt: „ReBeatition“ hat neben Wortakrobatik auch Elemente von Hip-Hop, Streetdance, aber auch blitzschnelle Drehungen und ist mit fünf Minuten so kurz wie unterhaltsam.

Tim Behren und Florian Patschovsky sind hingegen die Kraftlackeln des Abends. Ihr „Carnival of the Body“ ist eine Mischung aus Zirkusnummer, Ringkampf und choreografierter Schlägerei. Sie wollen dem, was beim Wrestling publikumswirksam zur Schau gestellt wird, näher auf den Grund gehen. Brutale Schulterwürfe, bei denen einer donnernd auf den Boden kracht, dass man meint, jetzt müssten alle Rippen gebrochen sein, wechseln sich ab mit freundschaftlichem Tätscheln der gegnerischen Wange. Und wenn die zwei in der improvisierten Garderobe unter dem kalten Licht einer einzelnen Neonröhre ihre Trikots wechseln, sind sie weder Freunde noch Feinde, sie sind Akrobaten, die auf sich und ihren Körper – aber letztlich auch auf den anderen – gut aufpassen, denn das ist ihr Geschäft.

Zwei weitere Performances bringen Empfindsamkeit auf den Punkt: In „Rockers“ lassen Dante Murillo und Pawel Dudus ihre Körper zittern, schütteln und schleifen. Es ist ein zeitweise spielerisches Stück, manchmal meint man sich auch in der Disco, wo mal der eine, mal der andere eine neue Tanzbewegung erfindet, die der andere aufnimmt, doch dann blitzt wieder so etwas wie ein Kräftemessen durch: Wer kann das Headbanging länger durchhalten? Zum Schluss reflektieren Matan Levkowich und Luan de Lima die Frage, welche Erwartungen die Gesellschaft an das Verhalten von Männern untereinander hat. In „Boys Don't Cry / Girls Just Want To Have Fun“ geht es um das Aufeinandertreffen von Homo- und Heterosexualität, um Intimität und Romantik. Ständig versuchen die zwei Figuren, miteinander zu kommunizieren und in Kontakt zu treten – meist meint der eine damit aber etwas ganz anderes als der andere. Das kann schmerzhaft sein. Oder lächerlich. Aber auch sehr amüsant.

Tanzkosmos-Festival: 27. 11. „Risks“ (u. a. mit Editta Braun Company und einer Uraufführung von Proxima Dance Company); 29. 11. „Politics“ (u. a. mit einer österr. Erstaufführung von RootlessRoot/Jozef Frucek & Linda Kapetanea); jeweils 19.30 Uhr, Kosmostheater.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2014)

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