Dosenbier für Tellheim und Schnaps für Minna in Sankt Pölten

(C) Robin Weigelt/ Landestheater NÖ
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Katrin Plötner hat Lessings Lustspiel „Minna von Barnhelm“ gründlich entstaubt, zeigt aber dennoch etwas Ehrfurcht vor dem Text. Die Rollen der Frauen sind schräg angelegt, die meisten der Männer auf Ulk reduziert.

Das Kurfürstentum Sachsen, im Siebenjährigen Krieg von Preußen ausgepresst, wirkt im Landestheater Niederösterreich abgebrannt. Vier Meiler aus glimmender Holzkohle bilden auf der Bühne in gotischer Schrift ein „Grüß Gott, tritt ein“. So sieht für die Berliner Regisseurin Katrin Plötner der Eingang zum Gasthaus aus, in dem Gotthold Ephraim Lessings Komödie „Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück“ (1767) spielt, ein damals aufregend zeitgenössisches Stück. Vier Brandherde und im Hintergrund ein heller Vorhang, der bei jedem Auftritt oder Abgang noch stärker mit Kohle beschmiert wird: Es geht hier auch um einen beschmutzten Ruf.

Wie man aus der Schule weiß, beginnt das Lustspiel mit Just, dem Diener des Majors von Tellheim, der sich gegenüber dem Wirt über die ungerechte Behandlung seines Herren beschwert. Der wurde aus dem Zimmer geworfen, weil er nicht zahlen kann. Eine angereiste Adelige samt Zofe kriegt nun seine Unterkunft. Bald weiß der Zuseher, dass Tellheim als Offizier entlassen wurde, dass das Fräulein seine Minna ist, die er heiraten wollte, inzwischen aber scheut, weil er nun mittellos ist und sich deshalb ihrer nicht würdig fühlt. Minna, die auf der Suche nach ihrem Helden war, muss Listen ersinnen, einen verpfändeten Ring zurückkaufen und vertauschen, um die Beziehung zu retten.

Plötner ändert in ihrer Inszenierung, die am Wochenende in Sankt Pölten Premiere hatte, die Chronologie. Im Gegenlicht erscheint am Anfang Tellheim (Lars Wellings). Mit Mühe führt seine zerschossene Hand das Dosenbier an den Mund. Flankiert wird er von einem Chor 50 plus mit bunten Ballons – es sind Sachsen, die sich dafür bedanken, dass er sie im Krieg geschont, die fehlende Summe für den Tribut an Preußen durch eigene Mittel ergänzt hat. Sie singen: „Heil, Major von Tellheim!“ Aber der wird in Berlin der Korruption verdächtigt, ist aufs Tiefste verletzt, fertig. Er will sich auch nicht helfen lassen. Nicht von Just (Pascal Gross), der auf seinen Lohn verzichtet, nicht von seinem Wachtmeister Paul Werner (Wolf Bachofner), der ihm all seine Barschaft überlassen will und fähig ist, noch viel mehr Geld für seinen Major aufzubringen. Dessen Ehre ist schwer von Begriff. Es braucht all die Klugheit von Minna (Lisa Weidenmüller) und die Mithilfe ihres Kammermädchens (Marion Reiser), um Tellheim zu heilen. Am Ende kommt es zur doppelten Paarbildung. Auch Werner kriegt sein „Frauenzimmerchen“ Franziska.

Das Drama wurde gründlich entstaubt, doch blieb auch etwas Ehrfurcht vor dem Text in diesen frechen, flott gespielten zwei Stunden bestehen. Man sieht schräge junge Frauen, die Spaß haben, Schnaps kippen, rauchen, richtig zur Sache gehen, und fast nur Männer, die auf Ulk reduziert sind. Allein Tellheim ist ganz Melancholiker, träumt von Selbstmord. Es knallt unheilvoll. Alles nur Fantasie! Ein königliches Sendschreiben verkündet Rehabilitation. Am Schluss jedoch erscheint noch einmal der Chor und singt: „Ich hatt' einen Kameraden“. Das klingt dann gar nicht mehr nach Happy Ending.

Termine: Im Landestheater Niederösterreich am 18. und 19. Dezember 2014 sowie am 10. und 28. Jänner 2015, zudem am 7. und 8. Jänner im Stadttheater Baden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2014)

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