Volksoper: Die blasse Witwe im verwaisten Opernhaus

(c) APA (ROBERT NEWALD)
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Lokalaugenschein in Wiens Volksoper: Franz Lehár geht es im Repertoire nicht wirklich gut.

Über die Funktion, die Wiens Volksoper im Konzert der drei Opernhäuser innehaben sollte, müssen sich die Kulturpolitiker irgendwann einmal Gedanken machen. Derzeit findet man im Haus ein enthusiasmiertes Publikum, das die schönsten Melodien Franz Lehárs freudig beklatscht und es dem Hausherrn offenbar nicht übel nimmt, wenn er an dem einen oder anderen Abend nicht selbst auf der Bühne steht.

Tatsächlich ist Robert Meyer ein Prinzipal, dessen schauspielerische Strahlkraft auszureichen scheint, um Grundsatzfragen über lange Strecken völlig auszublenden. Als Volksschauspieler genießt er Narrenfreiheit – und es ist ja tatsächlich so, dass man ihn so oft wie möglich auf der Bühne erleben möchte.

Wenn er sich selbst freigibt, darf er sich darauf verlassen, dass das komödiantische Element auch im Repertoire nicht zu kurz kommt. Da finden sich Haudegen wie Sulie Girardi oder Franz Suhrada, die Nebenrollen zu wunderbaren Pointenvignetten nutzen, ein Bühnentemperament wie Martina Dorak, die die untreue Diplomatengattin mit Witz und Charme darzustellen weiß. Auch gibt es mit Boris Eder ein Ensemblemitglied, das in der Meyer-Rolle des Njegus mit kühlem Understatement glänzend reüssiert – und als Zuwaag' auch noch den Refrain des „Maxim“-Liedes recht elegant phrasieren kann. Eleganter als der Danilo . . .

Womit wir beim Problem angelangt wären: Wer die Aufführung der „Lustigen Witwe“ am 2. Jänner wachen Sinnes miterlebt hat, kann nur hoffen, dass die Protagonisten musikalisch einfach einen rabenschwarzen Abend gehabt haben. Denn auch über Kay Stiefermann und Caroline Melzer darf zwar behauptet werden, dass sie die Liebesgeschichte zwischen Danilo und Hanna mit allen störrisch-bockigen Hindernissen theatralisch lustvoll ausgespielt haben – vokale Zwischentöne blieben aber ebenso aus wie die für Lehárs Melodik so dringend erforderliche Geschmeidigkeit.

Vincent Schirrmachers Tenor hätte das ideale Potenzial für den Camille, doch scheint ihm jedes Raffinement zu fehlen, die Stimme zu entsprechend verführerischen Kantilenen zu nutzen. Das wär's aber doch eigentlich: Müsste die Volksoper nicht das weltweit erste Haus für die Operette sein, an dem Lehár auf Spitzenniveau interpretiert wird? Im Moment sind Restbestände eines „Gewusst wie“ bei Chor und Orchester (unter Chormeister Michael Tomaschek) auszumachen. Genug für die Operette in Wien? (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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