Vienna English Theatre: Spielen wir Herrin und Sklave!

Venus in Fur
Venus in Fur(c) Reinhard Reidinger
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In „Venus in Fur“ verlieren sich zwei Theatermacher in dem skandalösen Stoff über Unterdrückung und Leidenschaft.

„Wer sich peitschen lässt, verdient, gepeitscht zu werden.“ Dieser letzte Satz von Leopold von Sacher-Masochs Roman „Venus im Pelz“ ist zugleich seine Moral. In „Venus in Fur“, einer Theateradaption des US-Dramatikers David Ives, wird daraus: „Don't fuck with a goddess.“ Diesen Satz sagt Vanda, die sich im Stück für die Rolle der Wanda bewirbt – bei Regisseur Thomas, der schon verzweifelt war: Keine Bewerberin versprühte die Eleganz und grausame Erotik der Wanda von Dunajew, wie Sacher-Masoch sie schuf.

Dabei schien Vanda zunächst nur eine hysterische, einfältige, vulgäre, naive Schauspielerin zu sein. Dazu war sie noch viel zu spät gekommen. Aber ihre Beharrlichkeit überzeugt Thomas: Die beiden schlüpfen ins 19. Jahrhundert und in die Rollen der Despotin Wanda und des unterwürfigen Severin, der sich ihr als Sklave anbietet. Und siehe da, Vanda fügt sich perfekt in die Rolle der Wanda, so perfekt, dass sich Stück und Realität vermischen. Die beiden verlieren sich im Skript, diskutieren heftig über die Bedeutung des Stücks, die erotische Spannung des Texts überträgt sich auf sie. In einem Moment lässt sich Wanda von Severin die Lackstiefel anziehen, im nächsten befiehlt Vanda Thomas, seine Verlobte anzurufen, ihr zu sagen, dass er heute nicht mehr nach Hause kommt. Bald ist nicht mehr klar, wem sein Flehen und seine Liebeserklärungen gelten – dem naiven Mädchen oder der tonangebenden Dominatrix.

Es ist ein beeindruckendes Kammerspiel, in dem die Charaktere erst allmählich ihre Vielschichtigkeit zeigen. Thomas entpuppt sich als kulturpessimistischer Romantiker, der mehr von sich selbst in Severin wiederfindet, als er zugeben möchte. Während Vanda von der Bewerberin zur Despotin wird, wird Thomas vom Regisseur zum Unterwürfigen. Ist Vanda am Ende die Gewinnerin? Hat sie Thomas' wahre Natur erweckt? Muss eine Frau zum Dämon werden, um zu dominieren? Auch diese Fragen stellt das Stück, das am Broadway Erfolge gefeiert hat und 2013 von Roman Polanski verfilmt wurde.

Im Vienna English Theatre inszeniert Adrienne Ferguson es geschickt. Mark Elstob ist ein mimisch versatiler Thomas, Georgia Kerr eine wunderbar wandlungsfähige Vanda, mit der man sich als Mann besser nicht anlegt. Ein nicht nur im wörtlichen Sinn fesselndes Spiel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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