Schneewittchen will den roten Apfel nicht essen

(c) Clemens Fabry
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"Spieglein, Spieglein" von Billy Vavken ist ein bezauberndes Märchen. Beim "Trisomie 21 Festival" hat es Moritz Tonn mit der I Dance Company uraufgeführt.

Unmittelbar vor Beginn des Gastspiels der I Dance Company im Kasino des Burgtheaters gibt es etwas Außerplanmäßiges: Der kleine Zwerg sei krank geworden, heißt es, also muss ein Mädchen namens S. (Nicole Innreiter), das sich nun in Schneewittchen hineinversetzt, bei der Premiere von „Spieglein, Spieglein“ mit sechs Zwergen auskommen. Auf diese große Enttäuschung für die kleine Schar folgen aber eineinhalb Stunden unverstellter Lust auf Theater, die zehn junge Darsteller mit großem Engagement vermitteln, ergänzt durch fünf Erwachsene. Das von Billy Vavken verfasste, von Moritz Tonn inszenierte Märchen wird vorwiegend von Menschen mit Down-Syndrom gespielt, die Aufführung im Kasino war der Auftakt des „Trisomie 21 Festivals 2015“. Sie wurde am Freitag ausgiebig und mit stehenden Ovationen bejubelt.

Nach der ungeplanten Überraschung kommt sofort eine geplante. Die Aufführung sollte bereits beginnen, da stürmt eine elegante Dame herein, lässt sich zum letzten freien Platz führen. Diese glühende Abonnentin erzählt, als vorne bereits getanzt wird, laut von ihrer Liebe zum Theater. Einmal, als ihr Mann noch lebte, hätten sie die Kleine allein zu Hause gelassen. Die habe sich aus Angst auf dem Dachboden versteckt.

Wer will schon in ein Internat?

Die Dame ist die amerikanische Jazz-Sängerin Carole Alston, sie wird später mit dem Ensemble singen. Doch jetzt hat sie die Grundstimmung erzeugt: Wie steht es mit dem Urvertrauen von Kindern? Wie ist es, wenn sie sich von den Eltern verlassen fühlen? Auch das Mädchen namens S. (Nicole Innreiter) wird mit diesem Problem konfrontiert. Es wühlt in Schachteln, wirft mit Puppen, mit einem Spiegel. S. hat ein erwachsenes Alter Ego. Und zudem tritt ein menschlicher Spiegel auf, Rosalie (Kathrin Arnusch) trägt einen silbern glitzernden Rock, sie steht S. beratend zur Seite. Das braucht sie auch, das Mädchen hat einen Anlass für ihr Unglücklichsein: Die Mutter will es ins Internat geben. Der Vater willigt ein, da kann die Tochter noch so flehentlich betteln, seine „Quality Time“ scheint begrenzt zu sein. Diese Eltern sind auf der Flucht.

Der Prinz zeigt einen Breakdance

Auch S. flüchtet, nachdem die Eltern abgegangen sind, versinkt in ihre Traumwelt. Und schon sind wir mitten drin im Märchen von Schneewittchen. „Hey ho, hey ho...“, die Zwerge (Walter Maschek, Mathias Eminger, Sinah Stamberg, Chiara Gartlacher, Dagmara Dabrowski und Dieter Kittel) tanzen auf, jeder von ihnen hat Charakter und starke Aussagen, die zur Verdeutlichung auch einmal per Video-Screen erscheinen. Mit Kissen, Bändern, Tüchern und fetziger Musik wird Illusionstheater geschaffen. S. aber will gar kein Schneewittchen sein, sie misstraut dem roten Apfel (Veronika Haberland) sofort.

Doch Prinz Eduard (Mathias Gmainer), der mit einem Breakdance auftritt, mag sie. Das Paar zeigt kunstvolle Tanzfiguren. S. rebelliert: „Ich will mich nicht immer an eine Rolle halten müssen.“ Schon sind die Eltern zurück. „Du warst das größte Geschenk in meinem Leben“, sagt der Vater. Es ist nun höchst an der Zeit für Geborgenheit.

Weitere Aufführungen der I Dance Company im Kasino: „Nightmare before Christmas“ am 13. 3. (20 h). „Alice im Mongolenland“ am 15. 3. (15 h). Am 21. März wird bei einem „Best of“ im Stadttheater Walfischgasse der T21Ward vergeben (19.30 h).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2015)

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