Schiefe Töne auf der Bühne, Schunkellaune im Publikum

Volkstheater in den Bezirken. Die Bahnhofsrevue „Es fährt ein Zug nach Irgendwo“ überzeugt nicht.

Ein alter Bahnhof, wie er überall auf dem Land stehen könnte: senfgelbe Fliesen, Plexiglasscheiben, ein Fahrscheinautomat. Fünf Menschen warten auf einen verspäteten Zug. Ein älteres Pärchen, mit einem Stapel Koffer für eine Fernreise ausgerüstet, sitzt auf einer Bank und jausnet. Eine verliebte Frau schaut pausenlos auf ihr Handy. Ein junger Mann wurde von seiner Liebsten verlassen und würde sich gern vor den Zug werfen, wenn dieser denn endlich käme. Gesprochen wird kein Wort, aber gesungen: „Es fährt ein Zug nach Irgendwo“, die neueste Produktion der Initiative „Volkstheater in den Bezirken“ unter der Regie von Doris Happl, ist eine musikalische Revue voller Schlager und eingedeutschter Popsongs über (verflossene) Liebe, Fernweh und die kleinen Gemeinheiten des Lebens.

„I mecht so gern landen“, schmachtet die eine. „You can't always get what you want“, kontert der andere. So geht es eineinhalb Stunden mit einer Reihe lose aneinander anknüpfender Lieder dahin, Bahnhofsromantik mag keine aufkommen, Spannung auch nicht. Jeder singt von seinen eigenen Befindlichkeiten, ein Akkordeon begleitet zu den bisweilen recht schiefen Tönen, und davon abgesehen, dass alles irgendwie mit Zügen oder der großen Reise namens Leben zu tun hat, entspinnt sich daraus keine glaubhafte Handlung. Wann kommt dieser verdammte Zug endlich, bleibt die Frage, die den Abend beherrscht. Ja, wirklich, wann kommt er denn?

Für Komik sollen wohl die Stewardess-Gebärden bei „Über den Wolken“ oder die immer wieder eingesetzten Tiergeräusche sorgen, von diesen Ausflügen in die Absurdität abgesehen bleibt die Inszenierung aber mutlos. Die Moral des Abends wird – in Anlehnung an ein berühmtes Zitat des Grazer Dramatikers Werner Schwab – in die Melodie von Cat Stevens' „Father and Son“ verpackt: „Nur wer vögelt, kann auch fliegen.“ Den Appell an die Lebensfreude nimmt das Publikum an – indem es freudig im Takt mitklatscht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.