ImPulsTanz-Festival: Schöne und böse Turbulenzen

(c) Liquid Loft / Chris Haring
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Das ImPulsTanz-Festival muss nach Jahren der Verausgabung sparen, was man dem Programm aber nicht anmerkt.

Neue Spielorte locken neues Publikum an. Beim ImPulsTanz-Festival wird auch im Museum getanzt, passenderweise im Mumok, das Wiener Aktionismus und internationale Performancekunst zeigt – unter dem Titel: „Mein Körper ist das Ereignis“. Nicht wie in der Schau als Bild oder Video, sondern lebendig, bewegt, flüchtig. Schon bei ImPulsTanz 2014 wurde von einer Gesprächsrunde mit der Ausstellungskuratorin Eva Badura-Triska auf die Verbindungen zwischen bildender und darstellender Kunst aufmerksam gemacht. Künstlerinnen wie Amanda Piña, Magdalena Chowaniec, Anne Juren zeigten sich vom Aktionismus beeinflusst. Wenn sie im Mumok ihre bewegten Körper ausstellen, werden diese neu definiert. Anne Juren poliert ihr gemeinsam mit der amerikanischen Regisseurin Annie Dorsen erarbeitetes Solo „Magical“ auf, in dem sie sich bei einer Zaubershow mit feministischen Positionen der Performancekunst der 1960er-, 70er-Jahre auseinandersetzt. Die Gleichzeitigkeit von Illusion, Choreografie, Performance erlaubt überraschende Wendungen.

Asylanten im Weltmuseum. Jennifer Lacey, humorvoll und voller Neugier, ist überzeugt, dass der Körper andere Möglichkeiten des Ausdrucks und der Mitteilung hat als die Sprache. Die in Paris lebende New Yorkerin ist seit vielen Jahren Gast bei ImPulsTanz und unterrichtet zusätzlich zu ihrer Performance im Mumok beim vielseitigen Workshop-Programm. Auch der Kanadier Keith Hennessy, mit zwei Isadora-Duncan-Awards ausgezeichnet, ist kein Unbekannter mehr in Wien. Als Dozent und Performer untersucht er mit Improvisation, Ritual und öffentlichen Aktionen politische Realitäten. 2001 hat er den Circo Zero gegründet. Einen „Tanz über das Wirtschaftssystem“ nennt er sein neuestes Stück „Turbulence“, bei dem 15 Mitwirkende mit dem Publikum eine andere Welt entwerfen. Obwohl das Weltmuseum seit Jahren wegen des Umbaus nur stark reduzierten Betrieb hat, öffnet es seine Säulenhalle. Padmini Chettur, Choreografin aus Indien, Choy Ka Fai, Performancekünstler aus Singapur, werden mit ihrem Körper ebenso über Themen des Weltmuseums wie Extremismus, Heimat, Macht und Ohnmacht nachdenken, wie Philippe Riera von dem multitalentierten Kollektiv Superamas oder die Regisseurin und Konzeptkünstlerin Claudia Bosse. Magdalena Chowaniec – Tänzerin, Performerin, Choreografin, Sängerin und Kämpferin – zeigt im Weltmuseum ihre neue Arbeit mit jungen Asylwerbern aus Somalia und Afghanistan. Für die musikalische Begleitung der tänzerischen Auseinandersetzung mit fremden Kulturen sorgt der Tänzer und Sänger der Sofa Surfers, Mani Obeya. Der Körper als Museumsobjekt kann auch im 21er-Haus betrachtet werden. Philipp Gehmacher wird dort ebenso arbeiten wie Anne Juren, die ihr Solo „Pornography“ zum Gruppenstück umgewandelt hat. Mit der in Wien lebenden Französin werden Studenten der schwedischen Akademie für Tanz und Zirkus die von Witold Gombrovicz im Roman „Verführung und Pornographie“, 1960, beschriebenen Gesten wiedergeben und dem Zusammenhang von Sex, Energie, Lust und Obsession nachgehen. Die Uhr tickt. Auch im Kasino am Schwarzenbergplatz wird getanzt: zum Ticken einer Stoppuhr, wenn Akemi Takeya ihre „Little Stories about S. O. S.“ zeigt. Sie hat ihr hinreißendes, ironisch gebrochenes Solo zu einem Gruppenstück – „Statements On Solidarity“ – erweitert und zeigt mit vier Performerinnen die 32 Miniaturen als spielerische Interpretation der unterschiedlichen (von Takeya gefundenen) Bedeutungen von S. O. S. Die Buchstaben des internationalen Morsezeichens könnten auch „Structure Of Skeleton“ oder „Styles Of Spectacle“ oder auch „Suspension Of Sex“ bedeuten. Wie gesagt, 32 Bedeutungen hat Takeya in Szene gesetzt und den Ablauf in einem rosaroten „Rezeptbuch“ notiert. Die Uhr tickt. Gelassener geht es Shootingstar Simon Mayr aus Oberösterreich an, wenn er auf der bäuerlichen Sonnenbank sitzt. „Sun Beng Sitting“ ist eines der Highlights auf der Jungchoreografenschiene [8:tension] und erzählt vom Landleben und dem davon gehegten Klischee, von Tradition und zeitgenössischem Tanz. Mayr besticht durch Perfektion, Präzision und feinen Humor, ist also absolut sehenswert.

Ruhestandstanz. Je mehr Bewegung stillsitzend (oder stillstehend) beobachtet werden darf, desto drängender wird der Wunsch, sich selbst zu bewegen. Große Namen locken ins Arsenal zu tollen Workshops. Etwa zum „Ruhestandstanz“ mit Doris Uhlich für Neugierige ab 55. Nicht weniger Freudvolles hat Silke Grabinger, Oberösterreicherin wie Uhlich, vor. In ihrer stark physisch ausgerichteten Klasse werden Urban Styles/Breakdance mit zeitgenössischen Techniken vereint: kräfteraubend, energiegeladen, bewegungsreich. Wer Erfahrung im Hip-Hop hat, ist besser dran. Tanzen als Akrobatik sollen die „Cirque Teens“ lernen – mit Conny Aitzetmueller. Luftartistik ist in und Teens, die sich gern zu aktuellen Pop/Rock und R&B-Songs bewegen, werden sich ausschwitzen können und das bekommen, was Teens vor allem wünschen, Spaß. 

Tipp

Liquid Loft. Chris Haring kommt mit „False Colored Eyes“ bereits am 29. Apri ins Burgtheater.

Shake the Break 2015 – für Kinder und Jugendliche, die die Sommerferien in Wien verbringen. Eisessen, Tretbootfahren usw. Und: Vier Wochen Tanz-Workshop, eine Kooperation mit dem Dschungel Wien. Kinder ab vier Jahren haben hier ebenso wie Teenager die Möglichkeit, mit der Crème de la Crème der internationalen Tanzszene zusammenzukommen.

ImPulsTanz 16. Juli bis 16. August www.impulstanz.com

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