Uraufführung: Ein poetischer Vogelflug im Kabinetttheater

(c) Armin Bardel/Kabinetttheater
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Lucas Cejpek inszenierte im Kabinetttheater Margret Kreidls Monolog „Eine Schwalbe falten“ diskret und konzis.

Das fahle Haar der hell und luftig gekleideten Frau (Juliane Gruner) in dem abgedunkelten Bühnenraum mit den wenigen weißen Requisiten (ein Paravent, ein Servierwagen, ein Fensterrahmen) wirkt zerzaust. Wirr ist auch ihr Blick. Im Volksmund sagt man grausam zu so einem Zustand „einen Vogel haben“. Wenn sie an ein Pult tritt, setzt sie tatsächlich zu einem Singsang aus Vogellauten an. Immer wieder. Sie wendet sich zum Publikum, erinnert sich wiederholt an traumatische Erlebnisse: Wie ein Vogel mit der Hand gefangen, ein Huhn geköpft wurde, wie sie als Kind dabei zusehen musste.

Diese Frau erzählt in einem Monolog von 60 Minuten Prägendes aus ihrem Leben, spricht mehrfach von einer Schwester, erwähnt die beklemmende Begegnung mit einem Förster und mit einem ebenso unheimlichen Arzt: „Der Herr Doktor sagt, eine schlafende Frau kann man leicht rasieren. Der Herr Doktor sagt, eine heiße Frau wird auch wieder kalt.“ Solch absurde Sequenzen lassen an Missbrauch denken und auch an Wahnsinn.

Die Zigarette im Nacken ausgedrückt

Offenbar ist die Frau in Behandlung. Immer wieder bricht ihr Monolog ab, einmal beißt sie sogar ganz konkret den Faden eines roten Wollknäuels durch, das sie zwischen Fingern und Armbeuge abgerollt hat. Kleine Szenen wirken dialogisch – und grausam: „Sie zündet sich eine Zigarette an. Ich mache das Fenster auf. Was siehst du?, fragt sie. Ich sehe rote Wolle. Sie drückt die Zigarette in meinem Nacken aus.“ Diese Frau leidet unter Ängsten, Zwängen – Zählen und Auflisten, Rätsellösen und Reimen werden bei ihr zur Manie. Doch den Faden verliert sie nur bei oberflächlicher Betrachtung.

Die 24 von Blackouts unterbrochenen Sequenzen sind meist unaufdringlich inszeniert. (Die wörtliche Umsetzung mancher Sätze wirkt hingegen befremdend.) Der poetisch-geheimnisvolle Text birgt einige Intensität. Es ist nicht leicht, solch lyrischen Impressionen auf der Bühne auf Dauer Dramatik zu verleihen, und dem Abend mangelt es trotz des hohen sprachlichen Niveaus am Ende doch auch ein wenig an Spannung. Dank Gruners starker Präsenz aber und ihres schonungslosen Spiels bleibt er bei aller Hermetik auf diskrete Art abwechslungsreich.

Termine im Kabinetttheater, Porzellangasse 49: 23. bis 26. April, jeweils 20 Uhr. Die Buchausgabe ist in der Edition Korrespondenzen erschienen, 112 S., € 18.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

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