Art Carnuntum: Große Gefühle auf der Pawlatsche

Art Carnuntum
Art Carnuntum(c) Art Carnuntum
  • Drucken

The Globe Theatre ist wieder auf Tour. Im Amphitheater von Petronell-Carnuntum entzückt das britische Gastspiel von „Romeo and Juliet“ mit Witz und Sentiment.

Zu William Shakespeares Zeiten vor gut 400 Jahren waren Schauspieltruppen bis auf wenige Ausnahmen noch fahrendes Volk. So passte es gut, dass am Donnerstag beim Londoner Gastspiel bei Art Carnuntum dort, wo einst das römische Amphitheater stand, neben der Bühne auch Lieferwagen parkten. Was heißt Theater? Für alle Eventualitäten des Wetters ist der offene Zuschauerraum auf einer Wiese an dieser lauen Sommernacht provisorisch überdacht. Was heißt Bühne? Eine Pawlatsche mit rot und goldglänzend gestrichenem Holz. Die Bretter unten sind Verona oder die Gruft, die Plattform oben ist Julias Balkon oder Romeos Exil in Mantua. Mehr bedarf's nicht.

„The Globe on Tour“ gibt „The most excellent and lamentable tragedy of Romeo and Juliet“. Direktor Dominic Dromgoole hat diese im Aufwand reduzierten Aufführungen für weltweite Gastspiele perfektioniert. Es ist seine letzte Tourproduktion als Chef des New Globe. Sie ist ihm hervorragend gelungen, wenn man die Intention kennt: Im Nachbau des elisabethanischen Theaters will man Shakespeare möglichst nahekommen.

Die Amme spricht breitestes Schottisch

Nur acht Schauspieler treten diesmal auf der Wanderbühne auf, doch in knapp drei Stunden entsteht eine ganze Welt. Die Lichter gehen an, die Truppe nähert sich, plaudert mit Zusehern, spielt eine abenteuerlich balkanisch klingende Musik, mit Instrumenten und rauem Gesang. Schon hat eine Rauferei mitten in Verona begonnen, zwischen den Halbstarken der verfeindeten Häuser Montague und Capulet. Dieses britische Theater ist körperbetont, artistisch und in diesem Fall immer auch ein wenig ironisch angelegt. Die Darsteller zwinkern dem Publikum zu, sogar Romeo (Samuel Valentine), der am Anfang so romantisch blöde verliebt scheint (noch nicht in die Titelheldin, sondern in Rosaline), hat einen Hang zum Spaß. Dieser kommt natürlich nicht an jenen der Amme heran. Hier wird sie von Sarah Higgins herzhaft mit schwerem schottischen Akzent gespielt, das reizt verlässlich zum Lachen.

Steffan Donnelly gibt mit hübschem Gesicht und provokant die Traumrolle des zynischen Sprachkünstlers Mercutio, aber nicht nur diese. Er ist auch der Prinz und der Apotheker. Jeder bis auf das unglückliche Liebespaar hat mehrere Rollen. Die Wechsel sind fliegend, oft nur durch die Kleidung, immer aber durch die Art der Darstellung angedeutet. Beschleunigt wird der Ablauf auch, weil oft parallel gespielt wird: Eine Szene im Haus Capulet wird angerissen – die Darsteller verstummen, bleiben aber reglos etwas abseits auf der Bühne, während schon wieder die Montague-Gang über die Bretter tobt. Zeit nimmt sich diese Aufführung vor allem für die Rührseligkeit Julias. Cassie Layton spielt diese junge Liebe anrührend und reizend. Sie vermittelt große Gefühle, von der freudigen Erwartung bis zur finalen Todessehnsucht. Nur eine Nacht bleibt Romeo und Julia fürs Verlieben, eine weitere für die Liebe nach der heimlichen Trauung. Sonst herrscht Druck, wird Tempo gemacht, mit tödlichen Verwechslungen. Der Schluss wirkt hier dann doch etwas pathetisch, nach all dem Wirbel. Das aber muss wohl so sein, denn „kein Leidensweg war schlimmer irgendwo, als der von Julia und von Romeo“.

Termine 2015 bei Art Carnuntum im Amphitheater Petronell-Carnuntum: „Romeo and Juliet“ wird noch diesen Samstag gespielt (20.Juni, 19.30 Uhr); „After the Birds“ nach „Die Vögel“ von Aristophanes am 27.Juni; Heiner Müllers „Philoktet“ nach Sophokles am 4.Juli; „Schutzflehende“ nach Aischylos am 11.Juli (jeweils 21 Uhr).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.