Tanz der ganz normalen Leute

Jan Martens
Jan Martens "The Common People" Wiener Festwochen
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Jan Martens "The Common People" zeigt Vor- und Nachteile des Laientheaters: natürlich, experimentierfreudig, nett, aber auch ungelenk.

Einer nach dem anderen kommt von der Hinterbühne hervor, stellt sich vor das Publikum, streckt die Arme in die Höhe und vollführt einen ungelenken Tanz mit den Hüften, um dann ruhig in die Runde zu blicken. Wie eine Kette, deren Glieder aus so unterschiedlichsten Materialien wie Filz, Silber oder Stein gefertigt sind, stehen die Darsteller da: Der zurückhaltende Martin zieht sich das T-Shirt schnell herunter. Franz tut alles betont bedächtig und klingt erleichtert, als er mit einem entschlossenen „Fertig!“ den Nächsten vor den Vorhang bittet. Katharina wirkt ein wenig schüchtern in ihrem schwarzen Kleidchen. Sie alle sind Laien, Menschen aus Wien und Umgebung – und wurden im Rahmen eines Workshops in den letzten beiden Wochen Teil des Langzeitprojekts „The Common People. A Composition of First Encounters“ von Jan Martens, das im Rahmen der Wiener Festwochen in der Halle G des Museumsquartiers gezeigt wurde.

Das Motto „Wir sind alle gewöhnlich, weil wir einzigartig sind“ wird schon zu Beginn visualisiert: Kurze Videos führen das Publikum in die Wohnungen der Protagonisten. Die Kamera zeigt gebügelte Hemden, dicht an dicht im Kleiderschrank, Plastikspielfiguren, ein überladenes Schmuckkästchen, den Blick in einen Garten. So gewöhnlich wie einzigartig – und man ertappt sich dabei zu raten, wem welche Atmosphäre zuzuordnen ist.


Frisieren nach Regieanweisung. Dann kommt es zu den Begegnungen: Die zwanzig Leute waren in zwei getrennten Workshops – und kannten die jeweils andere Gruppe nicht. Auf der Bühne treffen sie zum ersten Mal aufeinander. Gemäß der Regieanweisung frisiert einer den anderen, zwickt ihn in die Backen, stemmt sich an sein Gegenüber oder erforscht es mit geschlossenen Augen. Die Reaktionen sind natürlich: Freude, Überraschung. Ein Feel-Good-Workshop, bei dem man keine Angst haben muss, wenn man mit geschlossenen Augen herumgeführt wird. Nett. Aber nicht unbedingt für das Theater. Man würde lieber selbst mitmachen. Ohne Publikum.

Festwochen

1951
wurden die Festwochen gegründet, um zu zeigen, dass die vom Krieg gezeichnete Stadt zu kulturellen Aktivitäten fähig ist.

2015
läuft die Intendanz von Markus Hinterhäuser aus. Zum Abschluss im Theater an der Wien: „Herzog Blaubarts Burg/Geistervariationen“, inszeniert von Andrea Breth (23., 25.6.).

2016

übernimmt Tomas Zierhofer-Kin die Intendanz der Wiener Festwochen. Hinterhäuser wechselt zu den Salzburger Festspielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2015)

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