Helmuth Lohner: Vom Filmschönling zum Sir und Retter der Josefstadt

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Helmuth Lohner, ein großer Wissender der Schauspielkunst aller Fächer, subtil, komisch, böse, ist gestorben. In Schnitzler-und Nestroy-Rollen bleibt er unvergesslich. Ein Nachruf.

Nimmt die Leidenschaft im Alter ab? Keineswegs. In Heiner Müllers „Quartett“ bilanzieren zwei Senioren der Upper Class ihr Leben und ihre Liebe, die an den einfachsten Sachen der Welt zerbrach: an Betrug, Abenteuerlust und Intrigen. Helmuth Lohner spielte in diesem Stück seine letzte Rolle im Theater in der Josefstadt, an der Seite von Elisabeth Trissenaar - und beide waren überwältigend in diesem viel gespielten Drama nach dem Briefroman von Choderlos de Laclos, der im Frankreich vor der Revolution die politische Dekadenz mit der privaten verflocht: Lohner und Trissenaar, ein ebenso loderndes wie galliges Paar in der subtilen Regie von Trissenaars Mann Hans Neuenfels.

Lohner und Schenk: Lebenspartner in der Kunst

2010 hat Lohner ebenso grandios die Beziehungsregister gezogen, als Doktor von Aigner in Schnitzlers „Weitem Land“, ebenfalls im Josefstädter Theater: Der Doktor, der seine Frau betrogen hat, obwohl sie seine große Liebe war, spricht den Satz, der dem Stück den Namen gibt und zum geflügelten Wort wurde: „Die Seele ist ein weites Land“. Lohner kannte es, er war mehrmals verheiratet, zuletzt mit der Sacher-Chefin Elisabeth Gürtler, die wohl dieses Peer Gynts Solveig war. 1982 hat Lohner übrigens den nordischen Faust im Burgtheater gespielt, Otto Schenk hat damals inszeniert, die beiden waren Lebenspartner in der Kunst. Ihren herrlichsten Auftritt hatten sie, wieder im Josefstädter Theater 2006, in Oscar Wildes „Bunbury“, Lohner spielte die Lady Bracknell, Schenk die Gouvernante, die ein hoch wohl geborenes Baby verliert. Eine boshaftere Lady Bracknell als Lohner hat es selten gegeben. Diese Figur hatte etwas von dem Mann wie er leibte und lebte: das Wort cool war noch nicht erfunden, aber Lohner repräsentierte es, die Schlagfertigkeit, bissig und trocken, mit der er Nestroy-Figuren ausstattete (z. B. Titus Feuerfuchs im „Talisman), war ihm auch selbst zu eigen. Streiten mit ihm war gewiss nicht einfach, er war höchst eloquent, auch in politischen Fragen, und er konnte recht zynisch werden. Doch hatte er nichts Brutales, er blieb immer elegant, dem Hang der Bühnenkunst zum Ordinären in den letzten Jahrzehnten hat er sich verweigert.

Zum Abschied von Langzeitintendant Harald Serafin hat Lohner 2012 in Mörbisch eine hinreißende „Fledermaus“ inszeniert, mit sich selbst als Frosch, am selben Ort spielte er 2009 den Müllkutscher Doolittle in seiner „Fair-Lady“-Inszenierung, Frosch wie Doolittle waren in Lohners Gestaltung einerseits heruntergekommene Säufer, andererseits Philosophen – und genau gezeichnete Wiener Typen, knallhart und dabei trotzdem urkomisch. Obwohl Lohner auch in Deutschland Erfolge feierte, gehörte er zur schwindenden Riege der großen Wiener Schauspieler auf eine andere Weise, aber doch im Kern ähnlich wie der jüngst verstorbene Karlheinz Hackl. Die zwei hatten den Ton drauf – und beide waren sie im Burgtheater großartig als Hofreiter im „Weiten Land“, ein Ekel, aber eben doch auch sehr wienerisch in der raffinierten Perfidie wie in der abgrundtiefen Melancholie.

Lehre als Chemigraph

Lohner entstammte jenen Kreisen, in denen „Das weite Land“ spielt, er war ein Nachfahre Heinrich Lohners, eines Wagnermeisters, der eine vor allem dank technischer Innovationen florierende Wagen-und Wagonfabrik begründete. Nach einer Lehre als Chemigraph – ein nicht mehr existenter Beruf im grafischen Gewerbe – nahm Lohner privaten Schauspielunterricht und debütierte 1952 am Stadttheater Baden. 1953-1963 war er erstmals an der Josefstadt engagiert. Danach spielte er in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Zürich.

Frühe große Erfolge

Als Filmschönling feierte er frühe große Erfolge, später hat er erklärt, dass er diese Angebote vorwiegend des Geldes wegen annahm. Allerdings waren auch feine Arbeiten dabei wie etwa „Radetzkymarsch“ nach Joseph Roth 1965, verfilmt von Michael Kehlmann: Lohner spielte inmitten eines Ensembles damaliger Stars von Jane Tilden bis Leopold Rudolf den Carl Joseph von Trotta. Weitere wichtige Theaterrollen? Da gibt es sehr viele, dabei war Lohner nicht immer ein leichter Partner und äußerte sich gelegentlich recht scharfzüngig, z. B. über die Verhältnisse am Burgtheater. Großartig war er in Thomas Langhoffs Regie als Sala in Schnitzlers „Einsamem Weg“ bei den Salzburger Festspielen 1987. 1990-1994 war er der Jedermann am Domplatz.

Viele Hauptrollen in der Josefstadt

Als die Josefstadt in eine Finanzkrise stürzte, die für das ehrwürdige Theater leicht das Ende hätte sein können, übernahm Lohner die Direktion und er sprang buchstäblich in die Bresche, nämlich auf die Bühne und spielte viele Hauptrollen in Zugstücken, z. B. den Schwierigen oder den Menschenfeind. In manchen Monaten stand er fast jeden Tag auf der Bühne. 2006 schied er nicht ohne eine gewisse Erleichterung aus der Direktion aus. Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass Lohner die Josefstadt gerettet hat, was umso großherziger war, als er in dieser Zeit bereits einen anderen Lebensplan hatte, wie man heute sagt, er wollte nämlich mehr Musiktheater inszenieren: 2004 brachte er in Köln den „Liebestrank“ heraus, 2005 an der Volksoper „Die Zauberflöte“. Einen Spielplan zu erstellen, so Lohners Credo, sei keine schwere und riesige Arbeit, aber das Theater selbst sei ein „gnadenloses“ Geschäft. Solche herben Auffassungen von der Branche hat man seinem Spiel nie angemerkt, er schien immer mit Lust und Klugheit dabei zu sein, einer Mischung aus Ingrimm und Grandezza, ob er nun Tartuffe spielte oder den durchaus wesensverwandten „Zeck im Hause“, Mr. Sloane in „Seid nett zu Mr. Sloane“ von Joe Orton. Lohner war ein rechtes Theater-Pferd, aber keine „Rampensau“, das hatte er nicht notwendig, obwohl er die Zuneigung seines Publikums natürlich genoss.

Er ist einer jener Schauspieler, an die man sich in vielen Rollen noch Jahrzehnte später genau erinnert. In der Nacht auf Dienstag ist Lohner im Alter von 82 Jahren gestorben.

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