Baden: Orgie in der braven Sommerarena

(c) Bühne Baden
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Elfriede Jelineks frivole Übertragung von Oscar Wildes "Ernst ist das Leben" erfreut weiterhin sehr, weniger die Aufführung - trotz des charmanten Fabian Krüger als Algernon.

Stell dir vor, dein Partner betrügt dich, und du erfährst dieses durch einen Hacker-Angriff auf die Datingagentur. Shocking! Aber in Oscar Wildes Old England ging es auch ganz schön frivol zu. Simuliert wurde wie heute – auf Teufel komm raus. Das haben wir aber nicht direkt vom Dichter erfahren, der seine erotischen Absichten hinter nobler Fassade verbarg und sein Publikum mit glitzernden Bonmots ablenkte, sondern von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die Stücke wie „Ernst ist das Leben (Bunbury)“ oder „Ein idealer Gatte“ (beide an der Burg zu sehen) überschrieb und witzig zur Kenntlichkeit entstellte. Bei „Bunbury“ legt Jelinek die Bisexualität der Figuren offen. Auch Wilde war bisexuell.

Jelineks Fassung funktioniert nicht ohne weiteres. Regisseure und Schauspieler trauen sich meist zu wenig, geschmackliche Grenzen dürfen nicht überschritten werden, jedenfalls nicht in der Badener Sommerarena, wo bei „Ernst ist das Leben“ allerlei Dilemmas zu beobachten sind. Speziell bei der ambitioniert gestalteten Orgienszene, die jedoch unbeholfen und eher chaotisch wirkt. Das Publikum fand den veränderten Text bei dieser Koproduktion des Badener Stadttheaters und des Landestheaters Niederösterreich in St. Pölten wohl etwas befremdlich, noch dazu, wo anfangs durch den manierlichen Ton einiges unverständlich blieb. Die bereits im Original herrliche Konversation des hochadeligen Habenichts Algernon mit seinem Freund John Worthing zu Beginn wirkt langweilig. Lady Bracknell, die wahre Paraderolle des Werkes, wird gern als Knallcharge missinterpretiert. Als Dame der Gesellschaft, die bemüht ist, keinen Fauxpas zu begehen und die wichtigsten Fäden in der Hand zu behalten – kurz gesagt, als nüchterne Society-Lady – funktioniert die Figur aber auch nicht. Die unterschiedliche Qualität der Schauspieler irritiert wie oft im Sommertheater, wiewohl hier ein passables Niveau gewahrt ist. Die Fallhöhe zwischen Fabian Krüger vom Burgtheater und den übrigen Darstellern ist allerdings relativ groß.

Anfangs lahm, später lustig

Schlaksig schlurft Krüger herum, kraxelt behände auf die hölzernen Wände, zieht auch mal sein Hemd aus – und wickelt die Damen um den Finger. Nach manch imposantem Ausflug ins Fachfremde – Krüger spielt an der Burg u. a. den Knecht in Tolstois schaurig-grindiger „Macht der Finsternis“ – genießt der Künstler sein Heimspiel als „lockerer Vogel“ Algernon allzu sehr. In den spielerischen Qualitäten am nächsten steht ihm Lisa Weidenmüller – als Cecily, ein Girlie, das auf Punk macht, in grünen Hosen, Stiefeln, Minirock. Algernon und Cecily wissen, dass sie in ihrer eigenen Liebeskomödie mitspielen. Pascal Lalo als Algernons in vielerlei Hinsicht bester Freund Jack und Marion Reiser als Gwendolin sind das allzu biedere Pendant zum raffinierten Haupt-Paar.

Michael Scherff zeigt allerlei komische Facetten als Pastor, der in Gouvernante Miss Prism eine überraschend experimentierfreudige Gefährtin finden wird. Cornelia Köndgen wechselt rasch von der verbitterten Erzieherin in schwarzer Kluft zur dankbaren Verführerin mit Korsett, in Vorfreude des Kommenden raucht sie schon mal eine Zigarette mit langem Spitz. Babett Arens hätte eine wunderbare Lady Bracknell sein können, hätte es sich die Regisseurin Maaike van Langen nicht in den Kopf gesetzt, „mal was ganz anderes“ mit dieser köstlichen Schreckschraube zu machen. Wenn die Lady am Schluss angeheitert nach einem Fläschchen Whiskey die Familienverhältnisse offenlegt, merkt man, etwas mehr Temperament und die Figur wäre richtig gewesen. Amüsant: Butler Pascal Gross als Conchita-Verschnitt.

Im zweiten Teil entfaltet die Aufführung mehr Lebendigkeit als vor der Pause. Die elegante, aufs präzise Pointen-Service setzende Wilde-Interpretation ist vermutlich tot, allenfalls noch in englischer Sprache möglich. Maaike van Langen suchte einen Mittelweg zwischen Überdrehtheit und Tradition. Sie hat ihn nicht wirklich gefunden, sondern irrt mehr so herum, fasst mal hier, mal dorthin – wie die Date-Sucher im Internet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2015)

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