ImPulsTanz: Haarige Geister im Weltmuseum

(c) ImPulsTanz/Karolina Miemik
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Es ist immer spannend, den Blick der Ethnologie zu hinterfragen. Doch die Installationen von Claudia Bosse und Superamas tun das auf allzu simple Art.

Ethnologie ist, wörtlich übersetzt, die Lehre von fremden Völkern, das deutsche Pendant ist die Völkerkunde – im Gegensatz zur Volkskunde, die sich mit dem eigenen Volk, der eigenen Kultur befasst. Die Abgrenzung ist heikel, besonders im deutschen Sprachraum: Der Rassenwahn der Nazis hat nicht nur das Adjektiv „völkisch“ bis heute unerträglich gemacht.

Auch deshalb wurde das Völkerkundemuseum in Wien – während das Volkskundemuseum seinen Namen behielt – 2013 in Weltmuseum umbenannt. Was das Problem nicht wirklich löst: Es soll sich weiterhin, und das ist ganz in Ordnung so, anderen, fremden Kulturen widmen, sein Thema ist sozusagen die ganze Welt mit Ausnahme der näheren Umgebung. Es befasst sich mit Saris, aber nicht mit Steireranzügen, mit thailändischen Tempelbildern, nicht mit Tiroler Herrgottschnitzern, mit Federschmuck, nicht mit Gamsbärten. Die Trennlinien sind klar.

Sind sie es wirklich? Ist einem Wiener Hippie der indische Schal nicht näher als das Dirndl? Ist einem Punk die Irokesenfrisur nicht vertrauter als die Innviertler Goldhaube? Und sollte man sich nahem Brauchtum nicht mit demselben Blick widmen wie fernem? Walter Wippersberg hat 1992 in seinem Film „Das Fest des Huhnes“ afrikanische Ethnologen gezeigt, die die seltsamen Bräuche in Oberösterreich erforschen und aus der Kombination von Vogerltanz und rituellem Grillhendlverzehr schließen, dass das Huhn das Lamm als Totemtier abgelöst habe . . .

Diese „Mockumentary“ ist ein bis heute unübertroffen geistreicher Kommentar zum ethnologischen Blick. Den sollte offenbar auch die Aktion „History Of Violence“ am Mittwoch im Weltmuseum hinterfragen. Nachdem es Tischtennisbälle geregnet hatte, produzierten sich Schauspieler in Trachten aus allen Weltgegenden, darunter eine Domina und eine Cheerleaderin: Die Zuseher mögen ihnen Geschichten über verbale Gewalt schicken, sie würden sie vertanzen, erklärten sie; auf Fragen – welche Gewalt? – reagierten sie nicht, ein typischer Fall von Pseudo-Interaktivität. Diese Performance sei „ein Tribut an die vergangenen und zukünftigen Kämpfe für eine bessere Welt“, schreibt die Gruppe Superamas im Programmheft.

„Sexuelle Projektionen“

Auch in der Installation „Score!“ fliegen Pingpongbälle, sie stünden für „die Distanz zwischen Museum und Realität“, erklärt das Programm. Zusätzlich zu dieser Intervention hat Superamas einen ganzen Themenraum des bis 2017 wegen Umbaus geschlossenen Weltmuseums – über Götterbilder in Asien – wieder geöffnet, Striche auf den Boden gemalt und die Ausstellungstexte mit läppischen Anmerkungen versehen, z. B. „Als Sammlerstück erzählt das Objekt die Geschichte der Aneignung“, na so etwas.

Die Installation „A Second Step To Ideal Paradise“ von Claudia Bosse verspricht sogar „begehbare Erzählungen entlang der Themen Kolonialismus, kulturelle Projektion, Konstruktion von Ideologie(n)“. Doch in den sechs von ihr bespielten Räumen bleibt nicht nur wörtlich vieles im Dunkeln: Bosse hat eine seltsame Wunderkammer zusammengestellt, sie kombiniert Objekte aus der Sammlung mit ausgestopften Tieren, Globen und viel (künstlichem) Haar. Das reißt die Exponate aus ihren Sinnzusammenhängen, stellt sie aber kaum in neue. Wenn Bosse etwa viele Bilder von barbusigen Afrikanerinnen nebeneinanderhängt, erhebt sie offenbar den Vorwurf des Sexismus, von „sexuellen Projektionen“ ist im Begleitblatt die Rede und sogar von „rassistischen Fotografien“: Solche Behauptungen – die manchmal gerechtfertigt sein mögen – müsste man belegen, sonst sind sie nur unfaire Rempeleien. Und man darf naiv fragen: Sollen Anthropologen künftig Bilder von Frauen mit Zensurbalken versehen?

Ganz anders, nämlich völlig unkritisch ist „Meet The Shaman“ von Anna Yermolaewa und Oleg Soulimenko: Ihr ethnologischer Blick gilt Schamanen in Sibirien, und er ist rein affirmativ. Es wäre spannend, ihre Videos mit ähnlichen über katholische Exorzisten zu kombinieren – ob ein esoterisch gesinntes ImPuls-Publikum das goutieren würde?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2015)

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