Bad Ischl: Herzhafte Lust an der allgemeinen Sprachverwirrung

(c) Léhar-Festival/www.fotohofer.at
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Beim Lehár-Festival in Bad Ischl realisiert man heuer ein klassisches Musical mustergültig: „My Fair Lady“ als Komödie mit perfektem Timing.

Musicals verbindet man heutzutage gern mit immensem Bühnenaufwand, technischem Spektakel. Freilich denkt man dabei nur an die modischen Produkte einer weltweit aktiven industriellen Musiktheater-Vermarktung. Aus einer halben Melodie arrangiert man eineinhalb Stücke, die überall in denselben Dekors abgespult und hierzulande sogar durch Subventionen gestützt werden. Verloren geht dabei die Erinnerung an die Anfangszeiten des Genres, das sich anschickte, die Nachfolge der Operette – und in Wahrheit auch die der ins Avantgarde-Abseits geratenen Oper – anzutreten.

Dass es keine Millioneninvestitionen braucht, um ein klassisches Musical exzellent zu realisieren, beweist heuer das Lehár-Festival in Bad Ischl. Dort wird vorexerziert, dass effektvolles Theater nichts, aber auch schon gar nichts mit einem Overkill an szenischer Aktion zu tun hat. Gute Schauspieler braucht's und einen Regisseur, der deren Spiellust sensibel und im rechten Tempo zusammenführt. Den Bühnenbildner nicht zu vergessen, der aus einem Minimum an Architektur ein Maximum an verschiedenen Spielorten zu generieren weiß.

Multifunktionaler Theaterspaß

Karl Fehringer und Judith Leukauf ist das gelungen: Ihr multifunktionales Treppenhaus, das sich drehen, wenden und dank verschiedener Seitenwände vielfältig entfalten kann, verwandelt sich von der Spelunke ins bürgerliche Wohnzimmer, vom feudalen Salon in die Tribüne einer Galopprennbahn.

Drin wird die Geschichte vom armen Blumenmädchen, das ein eitler Sprachwissenschaftler vom Covent-Garden-Markt aufliest, um es für seine linguistischen Experimente zu missbrauchen, so herzhaft wie nur möglich erzählt. In Isabella Gregors Regie stimmt das Timing, wird nichts zu lang ausgewalzt und nichts unterspielt. Die Pointen sitzen punktgenau und sogar der heikle Balanceakt zwischen den sprachlichen Ebenen gelingt mehrheitlich unfallfrei.

Zwar plappert die Eliza Doolittle der Therese Grabner zunächst hörbar nicht, wie ihr der Schnabel wirklich gewachsen ist. Das ist aber auch der einzige Einwand, der sich sanft erheben ließe. Im Übrigen gibt sie eine bezaubernd frech-fröhliche, dann aber doch höchst sensible junge Dame, die ihre Verwandlung mit Lust mitträgt; und der am Ende sogar ein großes Finale, wie es der Dichter der Vorlage, George Bernard Shaw, vorgesehen hätte, zuzutrauen wäre.

Im Musical-Arrangement geht ohnehin alles gut aus, der Sprach-Terrorist und sein Opfer finden rechtzeitig vor Fallen des Vorhangs zueinander. Selbst das glaubt man in Ischl, denn Martin Bergers Henry Higgins hat einen humanen Kern, den er selbst in einem hinreißend ausgespielten Monolog entdeckt. Solch menschlich-allzu-menschliche Feinheiten verleihen der auch musikalisch (unter László Gyükér) eloquent und zügig abrollenden Vorstellung zusätzlichen Reiz.

Komödiantische Glanzleistungen gelingen Gerhard Ernst als lebenslustigem Doolittle und Merle Krammer als distinguierter Hausdame. Matthias Schuppli assistiert als Oberst Pickering dem Sprach-Experimentator mit Würde, Florian Resetarits singt seiner Angebeteten als Freddy herrlich-patschert ein Straßenständchen, der Telefonhörer ist sein einziger Rettungsanker.

Die Dinge fügen sich dank des engagierten Bad Ischler Ensembles und der stilvollen Kostüme Alexia Redls auch choreografisch zum eleganten Bilderbogen.

Bis 30. August. Info: www.leharfestival.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

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