Die alten Meister bleiben auf der Bühne im Rampenlicht

A general view of Austria´s historic Burgtheater theatre in Vienna
A general view of Austria´s historic Burgtheater theatre in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Peter Handke oder Maja Haderlap? Elfriede Jelinek oder Thomas Glavinic? Große Theater bringen in dieser Saison in Wien eine Reihe von Uraufführungen zeitgenössischer Autoren.

Fast glaubt man sich um Generationen zurückversetzt: Die erste Uraufführung des Burgtheaters im kommenden Jahr hat den etwas epischen Titel „Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße“, der Regisseur und der Autor sind seit Jahrzehnten vertraut. Claus Peymann (*1937) wird das neue, im Buchhandel bereits erhältliche Stück von Peter Handke (*1942) inszenieren (Premiere: Februar2016). Beim Verfassen dieses „Schauspiels in vier Jahreszeiten“ hat Handke an seine Heimat gedacht, an Griffen, „wo ich herkomme, an die Straße, die nach Süden, in ein Dorf namens Ruden, führt“.

Es ist bereits die fünfte Uraufführung dieses Dichters durch diesen Regisseur an der Burg, die Zusammenarbeit der zwei Altmeister reicht aber noch viel weiter zurück, bis zu ersten Inszenierungen des Ex-Burgtheater-Direktors und jetzigen Intendanten des Berliner Ensembles. Er hat als Oberspielleiter des Frankfurter Theaters am Turm 1966 „Publikumsbeschimpfung“, 1968 „Kaspar“ und 1969 „Das Mündel will Vormund sein“ inszeniert. Kurz danach begann für Peymann die Bernhard-Phase, die über den Tod des Dichters 1989 anhielt.

Wiederkehr. Thomas Bernhard erlebt 2015/16 in Wien an den großen Bühnen ein Revival, und zwar mit Uraufführungen: Dramatisierungen von Romanen. Das Theater in der Josefstadt wagt sich an ein Spätwerk: „Auslöschung“ wird von Oliver Reese in einer von ihm geschaffenen Bühnenfassung inszeniert (Februar2016). Bernhards Text von 1986 dokumentiert einen Zerfall. Als Summe seines Werks bezeichnet ihn die Vorankündigung des Theaters. Man kann dem Roman auch Manierismus attestieren.

Ähnliches gilt wohl auch für den vorletzten zu Lebzeiten veröffentlichten Roman dieses Autors: „Alte Meister“ (1985) spielt unter anderem im Kunsthistorischen Museum. Die Dramatisierung ist ab 18.Oktober2015 zwei Steinwürfe weiter im Volkstheater zu sehen. Dessen Shootingstar Duzan David Parízek inszeniert eine von ihm erarbeitete Kurzfassung des Romans. Er ist soeben von „Theater heute“ für die beste Regie und das beste Bühnenbild ausgezeichnet worden („Die lächerliche Finsternis“ von Wolfram Lotz im Akademietheater). Parízek, wird zudem einen Handke-Abend am Volkstheater gestalten. „Selbstbezichtigung“ (31.10.) wird nach „Alte Meister“ und „Nora“ (Premiere: 12.9.) seine dritte Inszenierung für das Volkstheater diesen Herbst sein, allerdings an der kleinen Spielstätte Volx in der Margaretenstraße.


Volkstheater-Fülle. Der Abend ist ein Solo für Stefanie Reinsperger, die nach der abgelaufenen Saison von der Burg an das Volkstheater gewechselt ist. So wie Parízek wurde sie von „Theater heute“ für ihre Leistungen als Ensemblemitglied des Burgtheaters ausgezeichnet, und zwar zweifach: als bester Nachwuchs und beste Schauspielerin, für ihr Debüt am Akademietheater im Vorjahr. Sie verkörpert nun am Volkstheater unter Parízek zudem auch multiple Noras, eine Mischung aus Henrik Ibsens Klassiker und Elfriede Jelineks Dramendebüt von 1977, eine Collage, die 2013 mit Reinsperger in der Titelrolle am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt wurde und von dort in Wien mit fast unveränderter Besetzung übernommen wird. Jelinek hat zu dem Doppeldrama eine Ergänzung geschrieben. Also kann man beinahe wieder von einer Uraufführung sprechen.


Ein fast vergessener Romancier. Offensichtlich machte die neue Intendantin, Anna Badora, die, vom Schauspielhaus Graz kommend, Michael Schottenberg nach zehn Jahren am Volkstheater abgelöst hat, mit Parízek und Reinsperger einen erfolgversprechenden Griff. Sie verlässt sich beim Spielplan aber nicht nur auf inzwischen beinahe klassische Autoren wie Bernhard, Handke oder Jelinek, sondern bestimmt auch bei jüngeren Dramatikern das Tempo in der Wiener Szene und stellt zudem ältere Autoren neu vor. So wird sie die Saison persönlich am 5.September mit ihrer Inszenierung von „Fasching“ eröffnen. Badora und ihr leitender Dramaturg, Roland Koberg, haben diesen zwischenzeitlich fast vergessenen Roman des früh verstorbenen Wiener Schriftstellers Gerhard Fritsch (1924–1969) aus dem Jahr 1967 in dramatische Form gebracht. Auch dies also ist eine Uraufführung.

Auf den ersten Blick sind es altvertraute Namen, mit denen geworben wird, die seit Jahrzehnten vor allem zu den Stardramatikern des Burgtheaters zählen. Aber das Angebot 2015/16 umfasst auch jüngere Generationen. Zu den neuesten Autoren zählt Ibrahim Amir, ein syrischer Kurde, der seit 2002 in Wien lebt, als Arzt tätig ist und zudem Stücke schreibt. Im Volkstheater hat am 22.April2016 sein neuestes Werk Premiere: „Homohalal“ wird von Sarantos Zervoulakos inszeniert.


Nach Margareten! Thomas Glavinic, bisher als Romancier bekannt, von dem bereits einige Werke dramatisiert wurden, zeigt bei Badora sein erstes „richtiges“ Stück: „Mugshots“ soll am 29.April2016 unter der Regie von Lukas Holzhausen Premiere haben – im Volx/Margareten. Dort wird auch „Die Fleischhauer von Wien“ uraufgeführt (26.Februar), eine Arbeit von Pia Hierzegger und Ensemble. Regie führt Lorenz Kabas. Schließlich gibt es im Volx auch die Dramatisierung einer Erzählung von Christine Lavant zu sehen. Die Kärntner Slowenin Maja Haderlap hat zum hundertsten Geburtstag ihrer großen Dichterkollegin eine Bühnenfassung von „Das Wechselbälgchen“ erstellt. Regie führt Nikolaus Habjan (UA: 4.12.2015).

Wer aber die Dramatisierung von Haderlaps Bestsellerroman sehen will, muss ins Akademietheater gehen. Georg Schmiedleitner inszeniert dort „Engel des Vergessens“ (UA: 8.9.2015), er hat die Bühnenfassung mit der Autorin erarbeitet. Noch eine weitere, halbe Uraufführung gibt es im Burgtheater, auf der kleineren Bühne im Kasino am 18.September: Carina Riedl führt Regie bei „dosenfleisch“ von Ferdinand Schmalz. Als Kooperation mit dem Burgtheater war es bereits im Juni 2015 bei den Autorentheatertagen Berlin und auch in Versionen zuvor zu sehen.

Im Vergleich zum Volkstheater ist das große Burgtheater, das sich nach den Finanzskandalen von 2014 unter der neuen Direktorin, Karin Bergmann, rasch erholt hat und soeben von „Theater heute“ zur deutschsprachigen Bühne des Jahres gekürt wurde, in der kommenden Saison bei frischen Texten aus Österreich etwas zurückhaltender. Man liebt es international.

Das gilt auch für die Josefstadt, die unter Herbert Föttinger in den bisher zehn Jahren seiner Intendanz verlässlich neue Stücke geliefert hat. Neben der Dramatisierung von „Auslöschung“ gibt es dort eine zweite Uraufführung eines österreichischen Dichters, eine starke Hoffnung des Theaters: Von Thomas Arzt, der in Wien bereits im Schauspielhaus unter dem nun nach Basel abgewanderten Direktor, Andreas Beck, mehrfach reüssiert hat, wird das Drama „Totes Gebirge“ uraufgeführt. Die Inszenierung von Stephanie Mohr hat am 21.Jänner2016 Premiere. Föttingers bisherige „Hausautoren“ Felix Mitterer, Peter Turrini und Daniel Kehlmann, die dem Theater in der Josefstadt im vergangenen Jahrzehnt eine Reihe von erfolgreichen Stücken gebracht haben, haben 2015/16 zumindest mitten im Achten eine kleine schöpferische Pause eingelegt. Diese aber, so hört man, wird spätestens 2016/17 zu Ende sein.

Viel Aktivität geht derzeit in Wien von Direktorinnen aus. Das gilt auch für Intendantinnen in Graz und St.Pölten, die mit Uraufführungen aufwarten. Im Osten Österreichs kann man derzeit im Theater geradezu von Frauenpower im Theater reden. Das ist aber eine andere Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)

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