Die zwei „Ostmärker“

Prozess. Ein Wiener und ein Rieder in Nürnberg.

Zwei Österreicher befanden sich unter den Angeklagten in Nürnberg, beide endeten ein Jahr später am Galgen. Beide waren Juristen und stiegen in der NS-Hierarchie ganz hoch: Arthur Seyß-Inquart aus Wien, Ernst Kaltenbrunner aus Oberösterreich.

Seyß war Südmährer, geboren 1892, dessen Familie schon 1907 nach Wien übersiedelte. Ein Jurist, ein Rechtsanwalt, Weltkriegsteilnehmer, katholisch, national, konservativ. Kein typischer Nazi. Ein Grübler, ein Zauderer. Zunächst im steirischen Heimatschutz, dann in der katholisch-nationalen Deutschen Gemeinschaft, ein Freund von Engelbert Dollfuß. Nach dessen Ermordung sah er sich als Brückenbauer zwischen den Nazis und dem christlich-sozialen Regime.

Für zwei Tage amtierte Seyß im März 1938 als Bundeskanzler, dann war der Anschluss an Hitlers Reich vollzogen. Seyß-Inquart wurde zunächst in Polen eingesetzt, schließlich ab 1940 als Reichskommissar in den besetzten Niederlanden. Als Reichsminister hatte er die höchste Stufe in der NS-Hierarchie erreicht, die ein Österreicher innehatte. Im Mai 1945 stellte er sich in Den Haag den kanadischen Streitkräften.

Ernst Kaltenbrunner (geb. 1903) gelangte im Fahrwasser von Seyß-Inquart in die obersten SS-Ränge. Schon 1938 machte Himmler den promovierten Juristen zum Polizeiführer in Österreich, 1940 war er Wiener Polizeipräsident, später Chef des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin, der Gestapo, SS-Obergruppenführer und zweiter Mann hinter Himmler. Seine Einsatzgruppen ermordeten im Rücken der Ostfront bis Kriegsende rund eine Million Menschen. In der „Alpenfestung“ in Altaussee verschanzt, ergab er sich am 12. Mai 1945 einer amerikanischen Militärstreife. (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2015)

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