"Mozart!": Der Wolfgang gegen seinen Amadé

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mozart(c) Deen van Meer/Vereinigte Bühnen
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Die Vereinigten Bühnen bringen „Mozart!“ nach 16 Jahren wieder ins Raimund-Theater und rühren dabei kräftig im Stück um - eine "zweite Uraufführung".

Es war keine besonders riskante Entscheidung von Christian Struppeck, Musical-Intendant der Vereinigten Bühnen Wien, „Mozart!“ wieder auf den Spielplan zu setzen. Das Musical von Michael Kunze (Texte) und Sylvester Levay (Musik) gilt als eine Art Wiener Klassiker, genauso wie „Elisabeth“ (ebenfalls von Kunze/Levay). Doch eine einfache Wiederaufnahme oder gar ein Schwelgen in alten Erinnerungen der Premiere im Jahr 1999 ist es nicht, was das Publikum im Raimund-Theater erwartet. Nach der Uraufführung ging das Musical um die Welt und hat dabei ordentlich an Erfahrung gewonnen. Eine „zweite Uraufführung“ sollte es werden, sagen die Autoren. Und so gibt es für eingefleischte Wiener “Mozart!”-Fans dann doch einige Überraschungen zu sehen und zu hören. Manche Melodien haben ihren Platz gewechselt, einige sind hinzugekommen. Schade ist es um die "Roter-Rock"-Sequenz zu Beginn.

Kunst gegen Freiheit, Vater gegen Sohn

Es ist ein gutes Musical. Es ist ein dramatisches Musical, das es schafft, die Emotionen der Figuren großteils sinnvoll mit Musik zu verdeutlichen. Die zeitlichen Abläufe und Figuren sind historisch einigermaßen korrekt, doch darum geht es gar nicht wirklich. Im Zentrum des Musicals stehen zwei Konflikte: jener zwischen Kunst und Freiheit und jener zwischen Vater und Sohn. Ersterer wird durch die Figur des „Amadé“ symbolisiert, einem Kind in roter Mozart-Montur samt gepuderten Zöpfen, das unaufhaltsam komponiert, während sein Alter Ego Wolfgang sein Geld verspielt und sich vergnügt. Oedo Kuipers ist definitiv eine Neuentdeckung der Vereinigten Bühnen. Er versteht es, die stimmlich schwierige Partie ohne Pathos mit Sanftheit in den Tiefen und dem nötigen Quäntchen Rock in den Höhen zu versehen. Mit seiner weißen Kapuzen-Weste wirkt der blonde Holländer manches Mal ein wenig wie Justin Bieber in einer seiner Eskapaden - ein junger Mozart bis zu seinem Ende. Doch bringt Kuipers auch Zerrissenheit, Verzweiflung und Wahn eindrucksvoll auf die Bühne.

Der Konflikt zwischen Vater und Sohn ist fast der stärkere im Stück. Nicht zuletzt weil Thomas Borchert als Leopold Mozart die Idealbesetzung ist – das war er schon bei der Uraufführung vor 16 Jahren. Vaterliebe und Autorität liegen im Widerstreit, Vater und Sohn zerbrechen an ihrem Streit, zur Versöhnung kommt es nicht mehr. Die Liebesgeschichte mit Konstanze Weber kommt dagegen zu kurz. Die Beziehung zu ihr, die von der Mutter dazu benutzt wird, Geld aus Mozart zu pressen, bleibt vage. Beide eint die Freiheitsliebe, und doch scheint Konstanze rasch genervt von Mozarts Eskapaden und lässt ihn sitzen.

An Kitsch und Übertreibung kommt auch „Mozart!“ nicht vorbei. Dass die Familie Weber, die Mozart regelmäßig um Geld anfleht, unbedingt im Hippie-Bus auf die Bühne fahren muss, geht noch als Show-Effekt durch. Riesige Kettenkarrussel-Sitze, auf denen Mozart und Konstanze ihr – dem Stück extra für die Wiener Neufassung hinzugefügtes – Liebes-Duett „Wir zwei zusammen“ singen müssen, ist schon jenseits der Kitschgrenze, ebenso wie ein riesiger Bischofsstab.

Schikaneder in Blue Jeans

Ansonsten bleibt die Ausstattung für Musical-Verhältnisse dezent. Ein paar rote Stühle, ein Flügel, eine Drehbühne, kühle Seitenwände sowie gestochen scharfe Videoprojektionen, die den Hintergrund der Szene zeigen, Salzburger Dom, Stephansdom, Prunkräume, Hinterhöfe. Die Produktion spielt geschickt mit modernen Details. Da trägt Emmanuel Schikaneder Blue Jeans, nach der Zauberflöten-Premiere räumen Bühnenarbeiter mit Headsets die Bühne auf. Rokoko wird in den Kostümen von Yan Tax nur angedeutet.

Das Ensemble tanzt und singt sich in bewährter Wiener Musical-Manier durch den Abend. Die Choreographien von Dennis Callahan sind einfach, aber wirkungsvoll. Das 27-köpfige Orchester spielt präzise unter der Leitung von Koen Schoots. Und ja, man versteht großteils sogar den Text.

Die Hauptrollen sind großartig besetzt. Franziska Schuster als Konstanze gibt eine stimmlich wunderbar natürliche Konstanze. Mark Seibert hat als Erzbischof Colloredo mit den tieferen Parts zwar nicht wirklich Probleme, doch hört man ihn lieber in höheren Partien. So wechselt er im Vergleich zu Uwe Kröger vor 16 Jahren teils früher in seinen Songs in höhere Lagen - eine gute Entscheidung. Ana Milva Gomes ist eine bezaubernde Baronin von Waldstätten, die quasi als Schutzengel von Mozart agiert – etwas statisch, aber stets mit mildem Blick. Das Lied „Gold von den Sternen“ hat es längst in eine Liga mit „Ich gehör' nur mir“ aus „Elisabeth“ geschafft und ist wohl der populärste Hit des Musicals – was es nie leicht macht, ihn zu singen.

„Mozart!“ ist ein gut konstruiertes, gut besetztes Stück, das die Wiener Musicalfreunde und auch die Vereinigten Bühnen sicher auf ihre Kosten kommen lässt. Mit Mary Poppins im Ronacher hat das Unternehmen derzeit zwei gut geölte Musical-Maschinen am Start. Da darf man schon neugierig sein, ob es die angekündigte Welturaufführung der Musical-Komödie „I am from Austria“ mit Musik von Rainhard Fendrich tatsächlich 2016 noch auf den Spielplan schafft. Ein Musical mit Austropop ist ein heikles Unterfangen. Mit „Evita“ kommt im Frühling 2016 jedenfalls ein weiterer Musical-Klassiker ins Ronacher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)

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