Palfrader und Scheuba: »Wir sind unsere eigenen Laborratten«

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»Flügel« nennt sich das neue Programm von Robert Palfrader und Florian Scheuba: Ein Gespräch über die mysteriöse Dose von Red Bull, Familienheilige und Angebote, die man besser ablehnt.

Sehr schlau wird man ja nicht aus der Ankündigung zu Ihrem neuen Programm. So viel habe ich verstanden: Es geht irgendwie auch um Red Bull.

Florian Scheuba: Unser Stück handelt von Kapitalismus und Religion – konkret davon, wie sich der Kapitalismus aus der Religion heraus entwickelt hat. Wir untersuchen, was beides verbindet: An die leibhaftige Himmelfahrt Marias und so etwas wie die unsichtbare Hand des Marktes musst du schon wirklich glauben wollen. Und wir beschäftigen uns mit den Übergangszonen, wo beides ununterscheidbar wird. In diesem Zusammenhang spielen Red Bull und Herr Mateschitz eine Rolle.


Was ist an Red Bull religiös?

Robert Palfrader: Man muss daran glauben, damit es wirkt. Sonst könnte man gleich Kaffee trinken.
Scheuba: „Das wesentlichste Merkmal der Dose ist die Mystik“ – so wird es den Leuten in internen Schulungen beigebracht. Und von da ist es nicht weit zum Heilsversprechen. Mateschitz wird als Guru bezeichnet. Er bietet eine fantastische Projektionsfläche, begibt sich kaum in die Öffentlichkeit. Geheimniskrämerei ist Firmenpolitik: Es gibt klare Anweisungen, dass Mitarbeiter keine Interviews geben dürfen. Manche haben trotzdem mit uns geredet. Wir werden sie aber nicht verraten.


Sie haben in der Firma recherchiert?

Palfrader: Entschuldigung? Wir sind investigative Kabarettisten! Aber wir bleiben nicht bei Mateschitz, wir erzählen ein Stück: über uns beide. Wir beschäftigen uns mit Kapitalismus und Religion nicht nur abstrakt, sondern mit den Auswirkungen, die beides auf uns hat. Wir überprüfen alles an uns selbst. Wir sind Laborratten unserer eigenen Gedanken. Welchen Anfechtungen erliegen wir oder eben nicht? Welchen Versuchungen haben wir zu widerstehen? Wofür geben wir unseren Namen her, unser Gesicht, unsere Stimme? Wo beginnt das Sich-Prostituieren? Zufällig habe ich während der Proben ein Angebot erhalten. Also war ich in der Realität in der exakt gleichen Lage wie im Programm.


Haben Sie angenommen?

Palfrader: Nein.
Scheuba: Es werden einem Karotten vor die Nase gehalten: Soziale Sicherheit. Oder dass man viele Menschen erreichen, vielleicht etwas bewirken könnte. Aber wenn du diesen Gedanken durchspielst, fängst du schon an, dir das Angebot schönzulügen. Dann willst du dein Verhalten vor dir selbst rechtfertigen. Indem du sagst: Vielleicht hatte ich Vorurteile, vielleicht ist es gar nicht so schlimm, was die dort machen, das kann man verbessern. Und das kann ja auch theoretisch passieren: Dass man etwas Gutes bewirkt. Genauso wie es sein kann, dass du nach fünf Jahren nur ein funktionierendes Rädchen bist.


Haben Sie beide verschiedene Grenzen?

Palfrader: Seine sind viel strikter!


Wir haben über den Kapitalismus geredet. Reden wir über die Religion.

Palfrader: Ich war ein sehr gläubiger Mensch. Ich habe sogar einen Heiligen in der Familie: Josef Freinademetz, das war ein Missionar in China. Im Missionshaus St. Gabriel gibt es ein kleines Museum zu seinen Ehren, ich war als Volksschüler mit der Klasse dort. Dem Pater, der uns geführt hat, habe ich gesagt: „Ich bin mit dem verwandt.“ Er hat mir einfach nicht geglaubt. „Wo kommst du her?“, hat er mich gefragt. „Meine Familie kommt aus Südtirol!“ – „Wie heißt du?“ – „Palfrader“. „Ja“, hat er gesagt: „Das könnte sein.“ Allein an dem Konjunktiv habe ich gesehen: Der hat verloren, und kann es nicht zugeben. Heute bin ich Atheist.
Scheuba: Ich bin gläubiger Agnostiker.
Palfrader: Darüber haben wir nächtelang diskutiert. Und er hat ja recht. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Gott gibt, ist eben so gering!
Scheuba: Im Programm sagt er: „Der Agnostiker glaubt, dass er nichts weiß, und der Atheist weiß, dass er nichts glaubt.“ Und ich darauf: „Der Agnostiker weiß, dass er nichts weiß, und der Atheist glaubt, dass er nichts glaubt.“


Wenn man sich so selbst erforscht. Gab es einen Punkt, an dem Sie gedacht haben: Also das hätte ich von mir nicht vermutet?

Palfrader: Nein, aber es gab einen Punkt, an dem ich gedacht habe: Das hätte ich vom Florian nie vermutet. Wir waren in Südtirol auf Schreibklausur und haben sehr lang sehr viel miteinander geredet, und obwohl wir uns über zwei Jahrzehnte kennen und eng befreundet sind, gab es manches, was ich nicht von ihm gewusst habe.
Scheuba: Das ist natürlich nicht alles ins Programm eingeflossen. Aber auf diese Weise ist es entstanden. Es ist weniger ein Kabarettprogramm geworden, sondern ein Stück, das davon erzählt, wie wir mit einer neuen Situation konfrontiert werden, wie wir darauf reagieren und wie es ausgeht.
Palfrader: Es können sich sogar Leute anschauen, die uns nicht leiden können, weil wir uns am Ende selbst aufs Maul hauen.
Scheuba: Nicht gegenseitig!
Palfrader: Nein, jeder sich selbst.


Sie haben von der verführerischen Annahme gesprochen, etwas bewirken zu können. Wollen Sie mit Kabarett etwas verändern?

Scheuba: Mit 16 wollte ich einfach Spaß haben auf der Bühne. Und wenn das Leute sehen wollten: super! Der Gedanke, dass ich etwas bewirken könnte, ist erst im Lauf der Jahre gekommen.
Palfrader: Ich war immer der Meinung Josef Haders: Das Einzige, was das Kabarett verändern kann, ist den Kabarettisten selbst. Der Florian meint, wenn jeden Abend 300 Menschen in der Vorstellung sitzen, haben wir jeden Abend die Chance, dass wir wenigstens einen zum Nachdenken bringen. Also haben wir uns darauf geeinigt, dass das möglich sein könnte! Zumindest auf diesem Gebiet bin ich Agnostiker geworden.

Das Programm

»Flügel«

„Den Stier bei den Hörnern packen“ wollen Robert Palfrader und Florian Scheuba in ihrem zweiten gemeinsamen Kabarettabend. Der Stier steht für Red Bull. Flügel verleihen sie sich selbst.

Premiere ist am 7. Oktober im Rabenhof (Regie: Werner Sobotka).

Steckbrief

Robert Palfrader ist Schauspieler, Moderator, Kabarettist. Wer ihn noch nicht auf der Bühne gesehen hat, kennt ihn von der Sendung „Wir sind Kaiser“ oder – neben Florian Scheuba und Thomas Maurer – aus der Kabarettreihe „Wir Staatskünstler“.

Florian Scheuba gehörte zur Kabarett-Gruppe „Die Hektiker“, er schrieb für Thomas Maurer, Erwin Steinhauer und Gerhard Bronner, arbeitet fürs Fernsehen („Donnerstalk, „Die vier da“, Wir Staatskünstler“). Für sein Programm „Bilanz mit Frisur“ gewann er den Österreichischen Kabarettpreis 2015.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)

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