Romeo und Julia auf dem abgründigen Lande

(c) Anna Stöcher
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"Bluad, Roz und Wossa" im Theater an der Gumpendorfer Straße: Ein herrlich beklemmendes, rohes, groteskes Stück über die Abgründe der menschlichen (Volks-)Seele.

Das Grauen schleicht sich beinah unbemerkt ein in diesem tristen, beklemmenden, schönen, ja grotesken Stück: „Bluad, Roz und Wossa“ von Christian Suchy (Buch und Regie), sehr frei nach Shakespeares „Romeo und Julia“, das derzeit im Theater an der Gumpendorfer Straße gezeigt wird. Flackert es anfangs nur in der Flamme der Grabkerze, die da als einziger Gegenstand im völlig leeren Bühnenbild steht, so schwingt es bald in jeder Silbe der Protagonisten mit, schleicht sich in jede ihrer grobschlächtigen Bewegungen, tänzelt mit ihren Schatten.

Und das Grauen spielt sich offenbar am Land ab, wenn auch nicht präzisiert wird, an welchem: Die Darsteller sprechen im Dialekt, jeder in seinem. Von Shakespeares Vorlage blieb nicht viel mehr übrig als zwei Verliebte und eine Flasche Gift: Die debile, wohl inzestuös bedingt intelligenzgeminderte Julia (Elisabeth Veit mit großen Augen und großem Grinsen) soll unter die Haube kommen, ihr Onkel (Georg Schubert) und der rheinisch dialektelnde Pfarrer (wie immer großartig: Jens Claßen) arrangieren das. Sie verliebt sich aber in den mit einem Akkordeon bepackt über die Bühne humpelnden, ebenfalls aufgrund Inzests beeinträchtigten Romeo (Raphael Nicholas), der sich allerdings schon der toughen Waffennärrin Rosa versprochen hat (Julia Schranz). Sie klappert, um das gemeinsame uneheliche Kind zu beruhigen, fröhlich mit der Pistole – ein Polizeimodell, wie sie erklärt, ohne Sicherung. „Da lacht er, da Bua!“

Es ist ein dunkles, oft stilles, körperliches Stück, getragen von der darstellerischen Leistung der Schauspieler, die den Landmenschen als explosive Mischung aus Bauerntrottel und boshaftes Monster persiflieren und dabei stets eine unausgesprochene Ahnung von etwas Entsetzlichem mitschwingen lassen. Entsetzlich wird es auch: Es geht um Mord, Kindesentführung, Eifersucht, Blutschande, Kleingeistigkeit – kurz: Die Abgründe der menschlichen Seele.

In die Dialektpoesie mischt sich die Musik: Begleitet von Ukulele und Akkordeon wird gesungen, etwa wunderbar dümmlich: „Wenn du a Kuhfladn wärst, wär i die Fliagn.“ Oder, existenzieller: „Mir san alle z'sammanpantscht aus Bluad, Roz und Wossa.“ Stellenweise wird herzlich gelacht, doch das Grauen, das sich so schön anschleicht, lässt einen bis zum Schluss nicht los.

(kanu)

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