Man weiß nie, wann der Herr kommt

Christine Pichler
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"Bilanz mit Frisur", "Erlösung" und "Die Tagespresse" werden heuer mit dem Österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet.

Die ernste Kunst hatte ihre drei Grazien und die Tenöre. Die Popkultur bot Musketiere und Damen vom Grill. Diese Dreierreihe hier ist aber ein mittlerer Zufall, eigentlich auch unvollständig (die Lego-Figur gibt es in echt) und im Grund sind Florian Scheuba, Martin Puntigam und Fritz Jergitsch sehr unterschiedliche Vertreter des österreichischen Kabaretts. Auch im Kleinen, bei der Öffentlichkeitsarbeit mit der "Presse": Während der eine noch Text lernt, zieht sich der andere seinen Bühnenanzug an, kontrolliert der Dritte die Qualität des WLAN. Was sie gemeinsam haben, ist ein Termin am 3. November. Dann werden sie in der Urania mit der jeweiligen Ausführung des Österreichischen Kabarettpreises geehrt.

Mit seinem ersten Solo in 33 Jahren, der "Bilanz mit Frisur" weil er von seinen Kollegen "der mit der Frisur" genannt wird bekommt Scheuba heuer den Hauptpreis. Martin Puntigams und Matthias Egersdörfers (hier als Lego, gecastet von Puntigams Sohn) Stück "Erlösung" erhält die Auszeichnung für das beste Programm. Seinen deutschen Kollegen habe Puntigam aus der Ferne mögen gelernt. Das Übellaunige im sonst so abgehangenen deutschen Fernsehkabarett habe ihm imponiert. "Ich dachte mir, wenn das auf dem Bildschirm schon diese Güte erreicht, wie muss er dann erst live sein." Nachdem die beiden den Premierentermin festgelegt hatten, kamen sie schließlich dahinter, wie unpassend ihre Arbeitsweisen sind. "Egersdörfer skizziert seine Geschichten nur und lässt die Witze im Lauf der Aufführungen entstehen. Und ich schreibe auf Punkt und Komma, lerne alles auswendig und bin sehr texttreu na, das war am Anfang ein großes Hallo." Und gelohnt hat es sich.

Trophäentechnische Routine

Über den Sonderpreis freut sich heuer Fritz Jergitsch, der erst Mitte 20 ist und mit seinem Satire-Onlineportal "Die Tagespresse" seit 2013 zur Stammseite einer halben Million User zählt. Als er und die anderen beiden von der Auszeichnung erfuhren, hat sich ihr Blutdruck unwesentlich verändert. Scheuba saß ausgerechnet in einem Sitzkonzert von "Wiener Blond" und musste via SMS antworten. "Obwohl ich das, wenn ich selbst spiele, wirklich nicht mag." Von wem die Nachricht kam, verrät er nicht, "zu insiderisch", heutzutage "wird alles geleakt". Martin Puntigam hat trophäentechnisch Routine. Nach dem Sonderpeis für die Science Busters im Jahr 2013 ist der Programmpreis sein zweiter Siegeslauf. Auch wenn es seiner Meinung nach im österreichischen Kabarett schon genüge, "einfach lang genug anwesend zu sein (in seinem Fall 25 Jahre), um einen Preis zu bekommen", wisse man, "ähnlich wie der gute Christ eben nicht, wann der Herr kommt". Für Jergitsch von der "Tagespresse" ist die Auszeichnung eher eine Beleidigung. "Wir verkaufen uns als seriöse Zeitung, ein Kabarettpreis ist fast rufschädigend. Die ganze Illusion ist weg." Das junge Gesicht der "Tagespresse" hat auch abseits der Tastatur Humor.

Debütant in Demut

Für Teamspieler Scheuba der mit den Hektikern als Zwölfjähriger begann, 2016 mit ihnen ein Comeback feiert und es nach wie vor als Privileg empfindet, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die er mag war das Solo kein lang gehegter Traum, es ist ihm passiert. "Ich nehme den Preis dennoch mit Demut entgegen, er ist schön und macht jünger als Debütant verliert man mindestens 20 Jahre." Früher wäre im Kabarett sowieso vieles leichter gewesen, erinnert sich Scheuba. "Schon allein deshalb, weil es nicht so viel gab. Es war auch möglich, Tonträger zu verkaufen. Wenn ich heute neu beginnen müsste, würde ich es mir überlegen." Vielleicht hätte er sein Gastspiel in der "Presse"-Chronik dann nie aufgegeben. "76 Groschen gab es für den Anschlag", zum Glück konnte er von den Hektikern leben. Puntigam spielt Kabarett, seit er 19 ist. Er habe es vermieden, einen Beruf zu erlernen, und sei vor sich hingealtert. "Kurz habe ich Medizin studiert, aber in Krankenhäusern zu arbeiten, war so unattraktiv nicht wegen der Kranken, sondern wegen der Hackordnung , dass ich das Kabarett vorzog."

Während die grau melierten Herren die alten Zeiten loben, sieht Jergitsch die schöne neue Gegenwart. Für ihn, den die technische Umsetzung von Internethumor mehr interessiert als der kreative Prozess davor, sind die Zeiten gut. "Das Kabarett hat so viele neue Möglichkeiten bekommen, sich zu äußern. Satire kann über Webseiten und YouTube viel aktueller reagieren. Man muss nicht mehr fünf Tage warten, bis man ein Thema im Fernsehen mitbekommt", wie einst die "Kranken Schwestern" mit ihren 1990er-Jahre-"Fake News". Und wie ernst nehmen Scheuba und Puntigam die "Tagespresse" und die neuen Comedy-Kanäle? Scheuba: "Ich würde sagen, der Begriff war immer schon unscharf, früher wurden auch Travestieshows oder Faschingssitzungen als Kabarett verkauft."

Was jetzt alles lustig ist und zum Kabarett zählt, interessiere ihn aber eigentlich nicht, "da bin ich der falsche Ansprechpartner", Schubladen wären nicht so seines. Puntigam hat der Genre-begriff immer gut gefallen, weil "man in relativ kurzer Zeit mit wenig Geld etwas auf die Bühne stellen kann und alles, was man diesbezüglich in humoristischer Absicht tut, ist im Wesentlichen Kabarett". Beim Finanziellen sind sich die älteren Herren einig: Die "Tagespresse" hat es am besten. Jergitsch widerspricht: "Google ist ziemlich geizig. Das meiste verdienen wir mit Onlinewerbung, das reicht zum Leben, reich werden wir nicht." Und würde Scheuba für die "Tagespresse" schreiben? "Ich? Er soll für mich schreiben!"

>> Das Kulturmagzin der "Presse" zum Blättern.

Tipp

Preisvergabe. Am 3. 11. findet in der Wiener Urania die Gala zum 16. Österreichischen Kabarettpreis statt. www.kabarettpreis.at. Ausgezeichnet werden Fritz Jergitsch, Martin Puntigam und Florian Scheuba.

("Kultur Magazin", 16.10.2015)

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