Beimpold: "Man kann auch durch Liebe lernen"

Ulrike Beimpold
Ulrike Beimpold Die Presse (Clemens Fabry)
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Ulrike Beimpold über die Traumrolle Julia, ernsthafte Komik und das Theater als Therapie bei Ehekrisen.

Sie ist wohl eine der vielseitigsten Schauspielerinnen des Landes: Ulrike Beimpold war 22 Jahre lang am Burgtheater, macht Comedy im Fernsehen, singt, hält Lesungen, spricht Hörbücher ein. In Karl Markovics "Superwelt" spielte sie heuer ihre erste Kinohauptrolle, jetzt ist die Wienerin wieder auf der Bühne zu sehen: In Michael Niavaranis Shakespeare-Adaption "Die höchst beklagenswerte und gänzlich unbekannte Ehetragödie von Romeo & Julia".

Sie spielen die Julia in einer Komödie nach Shakespeares "Romeo und Julia". Was ist Ihre Beziehung zu Shakespeare?
Wenn man in diesem Beruf ist, kommt man an Shakespeare nicht vorbei. Und natürlich ist Julia eine Traumrolle. Jede Schauspielerin, die jung ans Theater kommt, will einmal Julia spielen. Aber als ich mit 15 am Burgtheater angefangen habe, wurden die jungen Frauen immer von 35-Jährigen gespielt. Und als ich dann 35 geworden bin, wurden die Julias von 16-Jährigen gespielt. Mit 40 wusste ich: Vielleicht spiele ich irgendwann noch die Amme, aber die Julia ist eine Rolle, die ich nie spielen werde. Dass sie mir jetzt auf meinem Lebensweg noch vorbeischneit, ist schon sehr beglückend.

Shakespeares Julia stellt man sich als zierliches, süßes Mädchen vor. Was ist denn in der Adaption aus ihr geworden?
Sie ist eine erwachsene Frau, hat einen Sohn und vor allem 30 Ehejahre mit dem Romeo hinter sich. Wenn man frisch verliebt und so jung ist, dann hat die Liebe halt noch einen anderen Zauber, als wenn man 30 Jahre lang in einem Haushalt in Verona gelebt hat.

Also ist auch das größte Liebespaar der Weltliteratur nicht gegen die Routine des Ehelebens gefeit?
Diese Geschichte ist auch zu erzählen. Es geht zwar um diese Alltäglichkeiten, aber mir geht es immer auch um die Liebe.

Glauben Sie denn an die große, wahre Liebe?
Ich glaube nicht an die romantisch-naive, kindliche, Auf-den-ersten-Blick-auf ewig-zusammen-Liebe. Aber ich glaube an eine über alles stehende Liebe. Wenn man sich zum Beispiel freundlich in einem Gespräch begegnet, einem Menschen Achtsamkeit schenkt, dann ist das auch eine Form von Liebe. Natürlich gibt es auch die romantische Liebe. Aber ab einem gewissen Punkt verändert sie sich und geht in einen Alltag über. Sich dann die Liebe zu erhalten, ist etwas, das nicht von selbst geschieht. Das muss man pflegen wie eine Pflanze.

Es ist nicht das erste Mal, dass "Romeo und Julia" weitererzählt wird. Aber hätten sich die Elternhäuser der beiden Liebenden, Capulet und Montague, überhaupt versöhnt, wenn Romeo und Julia nicht gestorben wären?
Ich würde es mir wünschen. Ich möchte nicht in die Welt rufen, dass nur tragische Ereignisse es schaffen, Menschen zu versöhnen. Es gibt einen schönen Wiener Spruch: "Durch s Reden kommen die Leut z samm." Das finde ich auch in Zeiten wie diesen passend.

Sie sind Optimistin, oder?
Das würde ich gar nicht so sagen. Ich bin eine, die das Helle sucht. Ein Optimist sieht nur das Helle. Ich sehe schon auch viel Dunkles und entscheide mich dann dazu, das Helle wahrzunehmen. Das ist ein ganz bewusster Schritt.

War das immer schon so?
Das hat schon auch mit Erfahrung zu tun. Wenn Dinge geschehen, die nicht lustig oder angenehm sind wie der Tod meiner Mutter dann kommt eine neue Form von Erfahrung ins Leben. Und darüber kommt auch die Bewusstheit. Weil man hinschaut und Dinge zulässt.

Braucht man also doch ein schwieriges Ereignis, um das Helle zu sehen?
Nein, nein. Man kann auch durch Helligkeit und Liebe und Schönheit lernen. Das sage ich auch meinen Schauspielschülern: Es muss nicht immer über Schmerz und Zerbrechen gehen.

Ehekomödien sind unglaublich beliebt. Wollen die Leute die Dinge, die sie sich beim Abendessen an den Kopf werfen, im Theater noch einmal hören?
Es ist schon eine Form von Verarbeitung. Wir im Theater zaubern uns in die Herzen mit Überhöhungen. Ein Abbild von sich zu erkennen, das einem in überhöhter Weise vorgeführt wird, ist wie eine energetische Befreiung. Weil man zuschaut, wie andere scheitern. Wir leben in einer Gesellschaft, wo wir immer alles können müssen. Im Theater sehen wir: Nein, wir dürfen auch scheitern.

Michael Niavarani hat im Vorjahr der "Presse" gesagt: "Mich würde nichts so sehr langweilen wie wenn man mich ganz ernst nimmt und ich am Burgtheater in einer Tragödie auftreten müsste." Sie wechseln ständig zwischen dem Lustigen und dem Ernsten. Fällt Ihnen das leicht?
Für mich ist es ein Geschenk des Lebens. Mein Beruf ist wie ein Fächer, man macht mal diese Seite auf, dann die andere. Ich schaue immer genau, was mir auf meinem Weg entgegenkommt. Und auch wenn Michael Niavarani das sagt: Jede Komik nährt sich aus einem Teppich der Ernsthaftigkeit. Und Michael Niavarani wird in seiner Komik auch sehr ernst genommen.

Was sind Ihre nächsten Projekte als Schauspielerin oder als Sängerin?
"Romeo und Julia" wird zeiteinnehmend sein. Sobald die Vorstellungen laufen, werde ich mich damit beschäftigen, was als Nächstes kommt, aber jetzt stehen wir ja mittendrin.

Es gibt ja die These, dass Leute, die immer im Rampenlicht stehen, ständig die nächste Herausforderung brauchen, um ihren Adrenalinspiegel hoch zu halten.
Das habe ich überhaupt nicht. Ich übe das aber auch schon seit 36 Jahren: Was passiert mit einem, wenn dieser Hype aufhört? Ich brauche dann Erholungsphasen. Ich gehe trainieren, gehe in den Wald und schaue ins Grüne. Und schlafe viel. Dann lasse ich meiner Seele Zeit, wieder etwas Kreatives zu entwickeln. Aber ich habe keine Hast. Das ist eine der druckvollsten Fragen: Was kommt als Nächstes? Ich sage dann: Es kommt nichts als Nächstes. Ich bin jetzt dort, wo ich jetzt bin. Und auf der Reise "Romeo und Julia" wird mich so viel überraschen, von dem ich jetzt noch gar keine Ahnung habe.

>> Das Kulturmagzin der "Presse" zum Blättern.

Tipp

"Die höchst beklagenswerte und gänzlich unbekannte Ehetragödie von Romeo & Julia". Eine Komödie von Michael Niavarani, "sehr lang" nach William Shakespeare. Mit Michael Niavarani und Ulrike Beimpold. Ab Dezember 2015 im Globe Wien. www.globe.wien

("Kultur Magazin", 16.10.2015)

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