Bühne: Die neue Balkan-Connection

 Claudia Kottal (l.) und Anna Kramer bringen mit der tragikomischen „Familie Tót“ ihr erstes Stück auf die Bühne des Off-Theaters.
Claudia Kottal (l.) und Anna Kramer bringen mit der tragikomischen „Familie Tót“ ihr erstes Stück auf die Bühne des Off-Theaters.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

"Migrationshintergrund am Arsch": So heißt der Verein, mit dem Claudia Kottal und Anna Kramer neuerdings Theater vom Balkan nach Wien bringen.

„Muttertag“? „Der Bockerer“? Oder doch eher „Sissi“? Claudia Kottal und Anna Kramer überlegen eine Weile, aber so richtig will ihnen kein österreichischer Film einfallen, mit dem die „Familie Tót“ vergleichbar wäre. Am ehesten wohl „Der Bockerer“, meint Kottal schließlich – mit der Verbreitung der „Sissi“-Schinken.

Die (auch verfilmte) ungarische Tragikkomödie von István Örkény über die Familie Tót haben sich Kottal und Kramer jedenfalls ausgesucht – als ihr erstes selbst produziertes Stück. Zuvor haben die beiden Schauspielerinnen eigens einen Kulturverein gegründet. „Migrationshintergrund am Arsch“ heißt der wenig respektvoll. Da „das Wort total abgelutscht ist und vielen Kollegen auf die Nerven geht – und dabei aber doch gefragt ist“, sagt Kottal. „Ich kenne in Deutschland sogar zwei Regisseure, die sich streiten, wer das Monopol darauf hat. Es wird einfach genutzt, um Stücke unterzubringen.“

Nichtsdestoweniger machen sich die zwei nun ihren eigenen Migrationshintergrund zunutze – den man den beiden dank österreichischen (Kottal) respektive deutschen (Kramer) Vaters nicht einmal am Namen anmerkt. Tatsächlich ist Kottal einem breiten Publikum ursprünglich als Laura Rudas aus den „Staatskünstlern“ bekannt; sie ist halbe Polin, Kollegin Kramer halbe Ungarin. Wien sei „eine Achse, wo viel passiert, wo sich viel durchmischt“. Allerdings keine, in der das Theater ihrer (halben) Herkunftsländer bisher sonderlich gut vertreten war. Sie habe, erzählt Kottal, nach dem Schauspielstudium in Polen noch einmal eine ganz andere Theaterwelt kennengelernt. „Ich habe das Gefühl, es gibt da eine Balkan-Connection. Da werden polnische Stücke in Serbien gespielt und umgekehrt, aber sie kommen nicht hierher.“ Das wollen die beiden mit „MAA“ nun ändern.

Klassiker in Ungarn

Erstes Stück, das nächste Woche im Off-Theater in der Kirchengasse Premiere hat, ist die „Familie Tót“. Angesiedelt im Zweiten Weltkrieg, erzählt es von einem Feuerwehrhauptmann und dessen Familie, die den Vorgesetzten ihres an der Front kämpfenden Sohnes beherbergt, auf dass sich der Major gut erhole und den Sohn in eine sichere Schreibstube versetzen möge. Stück und Verfilmung seien in Ungarn ein Klassiker, sagt Kramer. „Ich bin mit ihm aufgewachsen“, ebenso wie der Regisseur, Imre Bozoki Lichtenberger, ein ungarischer Serbe. Kottal wiederum hat davon von ihrer Tante gehört, die nur sechs Jahre älter ist als sie und in Polen als Schauspielerin lebt. Das Stück passe gut zur aktuellen Situation in Ungarn, „vom Machtgefüge her und dem Unvermögen der Bürger, daran etwas zu ändern“. Ungarn, finden die beiden, sei nah genug an Österreich, um einen zu betreffen, „auch wenn man nicht halbe Ungarin ist“. Selbst im Theater habe Orbáns Regierung nicht nur Budgets gekürzt, sondern auch unabhängige Intendanten durch Parteimitglieder ersetzt. „Und in Polen“, sagt Kottal, „passiert gerade dasselbe.“

Wie viel Arbeit Theaterproduktion bedeutet, erfahren die beiden indes am eigenen Leib. „Dinge, die man sich als Schauspieler nicht überlegt“, gesteht Kottal. Premierenbuffet? Werbung, Karten? Solche Fragen, sagt Kottal, „holen einen vom schauspielerischen Meine-Rolle-Egotrip.“ Gleich mit sieben Rollen hat Kottal dabei kürzlich im Solo „Die Blonde, die Brünette und die Rache der Rothaarigen“ für Aufsehen gesorgt. Und im Volkstheater spielt sie in „Zu ebener Erde und erster Stock“ – mit polnischem Akzent. Dabei hatte ihre Mutter einst, unter dem Alltagsrassismus im heimatlichen Fischamend leidend, aufgehört, mit ihr Polnisch zu sprechen. Als Kottal dann eines Tages ihrer eigenen Oma verständnislos gegenübersaß, „begann sie doch wieder“.

AUF EINEN BLICK

Claudia Kottal wuchs als Tochter eines Österreichers und einer Polin in Fischamend und Wien auf. Sie wurde u. a. mit den „Staatskünstlern“ und „Cop Stories“ bekannt. Zuletzt begeisterte sie im Sieben-Rollen-Solo „Die Blonde, die Brünette und die Rache der Rothaarigen“ (ab Februar wieder im Kosmos Theater). Anna Kramer wuchs am Bodensee als Tochter eines Deutschen und einer Ungarin auf und arbeitet in der freien Szene. „Familie Tót“ hat am 14. Jänner im Off-Theater in der Kirchengasse Premiere. Alle Rollen spielen Frauen. www.maa.co.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.