Diehl: „Es liegt mir, so zu tun, als wäre ich ein anderer“

August Diehl (re.) und Nicholas Orczarek stehen im Wiener Akademiethater in
August Diehl (re.) und Nicholas Orczarek stehen im Wiener Akademiethater in "Diese Geschichte von Ihnen" auf der Bühne.(c) Bernd Uhlig
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August Diehl spielt ab morgen einen Verdächtigen, der zum Opfer wird. Ein Gespräch über Prügel von Nicholas Ofczarek, die Begeisterung Andrea Breths und die menschlichen Abgründe in „Diese Geschichte von Ihnen“.

Die Presse: Das Drama „Diese Geschichte von Ihnen“ gibt es auch in einer Kinoversion. Was unterscheidet sie vom Stück?

August Diehl: Den Film mit Sean Connery finde ich ein bisschen altbacken. Der Stücktext ist eigentlich moderner. Ich kann das aber gar nicht vergleichen, weil ich den Film bereits drei Monate vor den Proben gesehen habe – und seither nicht mehr. Er ist wieder aus meinem Kopf raus.

Sie spielen einen mutmaßlichen Kinderschänder, der zum Opfer von Polizeigewalt wird. Dieser Baxter tritt erst sehr spät auf, im finalen dritten Akt . . .

Zuvor wird viel über ihn geredet. Dabei stellt sich immer mehr heraus: Es wurde eigentlich keine Polizeiarbeit geleistet, der Verdacht richtet sich nur nach Mutmaßungen. Bevor Baxter zu Tode geprügelt wird, scheint immer klarer, dass er zu Unrecht beschuldigt wurde. Nur Polizeisergeant Johnson glaubt, dass Baxter der Täter war. Er geht nach den Verhören noch einmal allein hinein und dreht durch.

Baxter ist nervös, wie wohl jeder in solch einer Situation. Haben Sie schon einmal so etwas auf einer Polizeiwache erlebt?

Ja, ich habe das zweimal erlebt. Selbst wenn man gar nichts zu verbergen hat, bleibt doch die Angst, etwas zu sagen, das gegen einen verwendet werden kann. Auch deshalb gibt es Rechtsbeistand, das Recht zu schweigen.

Baxter ist anfangs recht einsilbig. Ist das der schwierigere Teil Ihrer Rolle?

Nein, sie macht von Anfang an wahnsinnig Spaß. Ich habe in Niki Ofczarek einen wunderbaren Partner, der mir fast alles abnimmt.

Was tun Sie während der langen Zeit, in der Sie noch nicht auf der Bühne sind?

Ich denke inzwischen schon darüber nach, ob ich nicht ein bisschen später ins Theater gehen sollte. Mein Auftritt ist nämlich nur im Stück am Schluss, er liegt zeitlich eigentlich vor den zwei Akten, die zuvor gespielt werden. Ich muss davon gar nichts wissen.

Haben Sie bei Nicholas Ofczarek manchmal Angst, dass er wirklich zuschlägt?

Es geht tatsächlich richtig zur Sache. Es gibt Tage, da denke ich mir: „Heute habe ich wirklich keine Lust, zu Tode geprügelt zu werden.“ Aber eigentlich ist, was wir da tun, Artistik.

Sie spielen häufig in Inszenierungen von Andrea Breth. Was sind ihre Tugenden?

Andrea steckt mich mit ihrer Begeisterung für Schauspiel und schauspielerische Vorgänge immer wieder von Neuem an. Sie sieht alles, ist eine ungeheuer genaue Beobachterin. Da wird man hoch konzentriert, wach – und leicht. Ich fühle mich nie verkrampft bei ihr. Es gibt die stumme Vereinbarung, dass man gemeinsam auf der Suche ist, gemeinsam mit ihr und wunderbaren Kollegen.

Wie geht es Ihnen bei einem 48 Jahre alten Reißer wie diesem Stück von John Hopkins, das sich doch ein wenig von Dramen Shakespeares oder Kleists unterscheidet?

„Diese Geschichte von Ihnen“ ist kein Thriller, kein „Tatort“. Es geht um menschliche Abgründe. Bisher ist es das modernste Stück, das ich mit Andrea gemacht habe. „Hamlet“ und „Homburg“ sind viel eher Thriller. Es hat etwas sehr Entspanntes, dass ich diesmal nicht die tragende Rolle spiele. Das heißt aber nicht, dass ich nicht sehr gefordert bin.

Das Stück behandelt Identität. Sie sagen als Baxter: „Ich bin der nicht“ oder „Ich habe nichts zu sagen“. Dann lässt sich der Verhörte doch zu Äußerungen hinreißen, die ihm schaden. Ist das nicht absurd?

Anfangs ist Baxter sehr wortkarg. Er will einen Anwalt. Dann fängt dieser Polizist langsam an durchzudrehen. Da löst sich etwas bei Baxter, das Verhör wird zu einer Beichtszene, in der man sich durch Gewalt öffnet.

Wie steht es denn um die Identität eines berühmten Schauspielers?

Wenn man einmal im Interview sagt, dass man Robert de Niro verehrt, dann bleibt das. Lange Jahre habe ich mich über Schubladen beklagt. Da spielt man einmal im Film einen Kokainabhängigen, schon hängt das an dir. Dann versucht man, dieses Image zu brechen, indem man etwas ganz anderes macht. Aber letztendlich kann dieser Kampf nicht gewonnen werden, weil Journalisten immer und Menschen überhaupt so denken. Nun möchte ich wenigstens die Schublade bestimmen, in die man mich steckt. Vielleicht ist es sogar ganz gut, gegenüber Journalisten ein bestimmtes Kostüm zu tragen.

Wie halten Sie sich für Ihren Beruf fit?

Ich lese viel, ständig, auch Schrott. Zurzeit aber sind es Truman Capotes Kurzgeschichten. Und ich gehe auch gern ins Kino.

Ist Ihr Herzblut bei Film oder Bühne?

Ich möchte beides nicht missen. Es wechselt sich gut für mich ab. Ich mache diesen Beruf noch immer sehr gern. Selbst in Produktionen, die man nicht so sehr mag, hat man immer den Moment des Spielens. Und dieser gehört einem selbst. Darüber rette ich mich.

In welchem Alter haben Sie sich denn dafür entschieden, Schauspieler zu werden?

Ich machte einfach das weiter, was ich schon als Kind tat: Spielen. Natürlich gab es auch andere Ideen, aber ich habe schon sehr früh gemerkt, dass es mir liegt, so zu tun, als wäre ich jemand anderer. Es ist ein riesiges Glück, das machen zu können, was einen erfüllt.

Erzählen Sie doch von Glücksmomenten!

„Hamlet“ ist so ein Ding. Ich hoffe doch, dass wir ihn wieder spielen, das hat mir bisher jedesmal Spaß gemacht, das ist sogar noch gewachsen. Auch bei der „Möwe“ ging mir das so, und bei Stücken von Sarah Kane.

Wären Sie in einer Krimiserie lieber der Polizist oder der Täter?

Bei „Columbo“ ist der Polizist klar die bessere Rolle. Wer weiß – vielleicht eher doch der Polizist. Manchmal stellt sich ja dann heraus, dass er der Täter ist.

Was ich Sie noch fragen wollte: Der Höhepunkt in dieser Inszenierung ist?

Die Arbeit mit Niki. Obwohl ich nur verbal zurückschlagen darf.

ZUR PERSON UND ZUR PREMIERE

August Diehl, 1976 in Berlin geboren, studierte dort an der Hochschule Ernst Busch Schauspiel. Er reüssierte bereits als Twen auf der Bühne wie im Film. Seit 2013 ist er Ensemblemitglied des Burgtheaters, wo er u. a. unter der Regie von Andrea Breth Hamlet und Prinz Friedrich von Homburg gegeben hat.

Im Akademietheater: „Diese Geschichte von Ihnen“ von John Hopkins ab 28. Jänner (19:30 Uhr)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2016)

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