Ster- und Grissemann, schamlos bis zuletzt

INTERVIEW MIT STERMANN & GRISSEMANN
INTERVIEW MIT STERMANN & GRISSEMANN(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Theater Rabenhof. Das Komikerduo gibt „Sonny Boys“ der Extraklasse – überstrahlt werden sie aber von Peter Rapp.

Die von Dominique Wiesbauer auf die Bühne des Theaters im Rabenhof gezauberte Souterrainwohnung verströmt generös verbrauchten Charme. Draußen vor dem Fenster fährt in den gut zwei Stunden Aufführung immer wieder eine virtuelle U-Bahn vorbei. Drinnen sitzt links auf einem Ledersofa ein älterer, grauer Herr. Er trinkt, spielt Roulette. Allein. Er ist umgeben von alten Devotionalien: Rechts über dem Fernseher Kabarett-Preise – eine Romy, ein Kaktus, eine Bratpfanne, ein scharfkantiges Etwas aus Buntmetall. Dazwischen Flaschen, Zeitungen, Müll. Verfall. Über dem Sofa ein großes, beleuchtetes Bild des Komikers, TV- und Radio-Stars Christoph Grissemann in der Blüte seiner Jahre. Stolz hält er dort eine goldene Romy in der Faust.

Doch wer ist der Greis auf dem Sofa darunter, der noch nicht richtig angekleidet ist, säuft und Grissemann-Filme schaut? Potztausend! Es ist tatsächlich Christoph Grissemann, er spielt sein gebrochenes Alter Ego, irgendwann in der Zukunft, elf Jahre, nachdem er sich von seinem Lebensmenschen im Streit getrennt hat. Dem aus Deutschland nach Wien geflüchteten Autor, Rundfunk-Star und Komiker Dirk Stermann.

Von Seitenblicken bis zum Burgtheater

Nun werden sich die beiden erstmals seither wiedersehen, streiten und versöhnen, bis zum bittersüßen Ende. Gegeben wurde nämlich bei der von Hausherr Thomas Gratzer mitreißend inszenierten Premiere am Mittwoch der Broadway-Klassiker „Sonny Boys“ von Neil Simon. Ein Volltreffer. Die Spielfassung von Matthias Jodl ist pointiert, auf österreichische Verhältnisse umgeschrieben. Ganz Wien wird durch den Kakao gezogen, von der „Seitenblicke“-Society bis zum Burgtheater. Auch einstigen ungemein populären Sonnyboys wie Otto Schenk und Harald Serafin bleibt liebevoll verpackte Häme nicht erspart. Selbst der lebensfrohe Rabenhof-Direktor wird wieder einmal nicht geschont.

Wer aber hat sich durchgesetzt in diesem ewigen Zweikampf der in Erdberg und Umgebung berühmten Kleinkünstler, die durch den Glanz des Broadway-Vorbilds sozusagen internationalen Kultstatus für sich reklamieren? Das emotionelle Alphatier ist eindeutig Grissemann. Er hat die lange Eingangsszene, in der ihn eine Kärntner Verwandte (Magda Kropiunig) umsorgt. Sie ist zugleich seine Agentin, die ihn dazu überreden will, dass er noch einmal gemeinsam mit Stermann spielt – einen Sketch aus ihrer „Deutschen Kochschau“. In ORF III! Dieser Sender wird hier von Ex-Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann geleitet. Er hat zwar nicht leibhaftig, aber per Videoaufzeichnung einen kleinen, selbstironisch-eitlen Gastauftritt: „Wissen die denn nicht, wer ich bin?“

Souverän belanglos im Spotlight

Möglich. Herr Grissemann ist eine verzweifelte Rampensau, die furios über Halbprominenz herzieht. Darüber könnte man gar vergessen, wie hilfreich Kropiunig auftritt. Wahrscheinlich ist es ihre warmherzig-sinnliche Zurückhaltung, die das Feuerwerk seiner Pointen erst richtig zur Geltung bringt.

Stermann hingegen wird diesmal von Grissemann (selbst Stermann-Fans, die Grissemann hassen, müssen das leider zugeben) an die Wand gespielt. Es liegt wohl an der Rolle: Dieser fiktive Exildeutsche ist fast schon ex, da mag er noch so intensiv angehimmelt werden. Ins Positive gewendet: Er kommt seiner tatsächlichen fernen Zukunft wahrscheinlich viel näher. Für Augenblicke nur dominiert er im Sketch aus der „Kochschau“, dann holt ihn wieder die Senilität ein.

Die Rabenhof-Romy für den besten Entertainer der letzten 35 Jahre erhält dennoch nicht Grissemann – sondern Peter Rapp. Peter Rapp lebt! Peter Rapp spielt Peter Rapp! Stermann und Grissemann wirken nun wie freche Buben, die die Mitte ihres Lebens längst noch nicht erreicht haben. Kurz steht der Showmaster im Spotlight und zeigt, was souveräne Belanglosigkeit ist. Wann und mit wem wird er einen Sonnyboy spielen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2016)

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