Von Terroristen und Tänzern: Regimekritik auf leisen Sohlen

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Brut/ImPulsTanz: Der Japaner Matsune führt Vorurteile und Grenzen der modernen Welt vor, Choy Ka Fai die politische Situation in China.

Von Performer Michikazu Matsune wird man im Brut sogar persönlich begrüßt: „Thank you for coming“, sagt er, bevor er die Brille abnimmt und zu einem Gedankenexperiment auffordert: Stellen wir uns also vor, wir entfernen seine Augenbrauen und machen daraus ein Errol-Flynn-Bärtchen. Wie lustig das aussieht, sieht man auf einem Foto – er hat die Augenbrauen rasiert, die Härchen über der Oberlippe angeklebt und das Bild in seinen Pass drucken lassen.

Obwohl er da völlig anders aussieht, ist ihm nicht passiert, was Abdur-Rahim Jackson erlebte, dem die Performance „Dance, if you want to enter my country!“ gilt: Aufgrund seines arabischen Vornamens bekam der Tänzer 2008 auf einer Tournee des Alvin Ailey American Dance Theatre bei der Einreise nach Tel Aviv Schwierigkeiten. Die Beamten glaubten nicht, dass er Tänzer ist – vielleicht ein Terrorist? Also musste er vortanzen. Die Story ging um die Welt.

Nun tanzt Matsune Ausschnitte aus Stücken der von Alvin Ailey gegründeten Company nach und fragt zaghaft, ob seine Darstellung auch reichen würde, wenn man ihm eines Tages die Einreise verwehrte? Er verpackt seine Kritik daran, wie schnell man in unserer globalisierten Welt auf Vorurteile und Grenzen stößt, humorvoll – und versprüht neben Charme am Ende auch Parfum. Ein Tribut an die vielen Duty-free-Shops, an denen offenbar auch ein kritischer Geist wie er nicht ganz vorbeikommt . . . Nicht rein, sondern nichts wie weg wollen hingegen die Protagonisten der neuen Episode der Reihe „Soft Machine“, die beim ImPulsTanz-Special „[Trans] Asia Portraits“ zu sehen ist.

Bloß keinen Tee, der ist gefährlich!

Choy Ka Fai rückt darin die charismatische Tänzerin Xiao Ke und den Soundkünstler/Performer Zhou Zihan in den Mittelpunkt. Sie zeigen ihr Leben in Shanghai auf Videos (das Mandarin wird in Untertiteln ins Englische übersetzt, samt Katze – „meow“) und verdeutlichen die Paranoia der chinesischen Führung durch eine penible Befragung der auf dem Boden robbenden Künstlerin. Als sie sich erhebt, erinnert sich ihr Körper an die zwölf Jahre Ausbildung in traditionellem chinesischem Tanz, sie schreitet, lüftet das Kleid, vollführt Flügelschläge. Ein lieblicher Anblick, der immer wieder durch Befragungen konterkariert wird – und durch ihre Weigerung, Tee zu trinken: Das sei ihr zu gefährlich. Choy Ka Fai ist ein subtiles Stück Regimekritik gelungen – herausfordernd, leise und elegant.

ImPulsTanz: Das Special läuft bis 14. 2. im 21er Haus.
Brut: „Dance, if you want . . .“ am 13. 2. um 16 und 18 h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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