David Bösch: Die Luft abschnüren

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David Bösch ärgerte und erfreute das Burg-Publikum. Jetzt inszeniert er Tschechows „Drei Schwestern“: „Kluge Frauen in kläglicher Lage.“

Tschechow ist einer der empathischsten und zugleich schonungslosesten Schilderer menschlicher Unvollkommenheit“, schwärmt David Bösch, der im Burgtheater „Drei Schwestern“ inszeniert: mit Katharina Lorenz als Olga, Aenne Schwarz als Mascha und Marie-Luise Stockinger als Irina. Drei Töchter eines Brigade­generals wünschen sich verzweifelt aus einer kleinen in eine große Stadt: „Nach Moskau!“, ist ein geflügeltes Wort des 1901 uraufgeführten Dramas. „Die drei Schwestern sind kluge, begehrte Frauen, die in der Provinz ihr Leben verbringen, was nicht nur räumlich gemeint ist“ erläutert Bösch: „Jeder Versuch eines Aufbruchs scheitert – nicht mit einem Knall – sondern kläglich. Dennoch glauben die drei kindlich-verzweifelt an eine sinnerfüllte Zukunft. Diese Suche, das Verlangen nach einem anderen Leben ist ein moderner, immer noch gegenwärtiger Impuls, mit dem sich besonders Menschen in unserer spätkapitalistisch geprägten Welt identifizieren können.“

Das Drama fängt gemächlich an – und rast dann plötzlich die schiefe Ebene hinab. Bösch: „Ja, das Stück ist wie das Leben. Am Anfang denkt man, es geht ewig so weiter und plötzlich zerrinnt einem alles zwischen den Fingern. Am Anfang träumt man, dann ergraut man. Und dazwischen ist es lustig, traurig, langweilig, lächerlich und jämmerlich. Alles zusammen ist vielleicht der Tschechow- Cocktail. Ein hochprozentiger!“ Seit 2009 inszeniert Bösch, 1978 in Lübbecke in Nordrhein-Westfalen geboren, am Burg- und Akademietheater, etwa Shakespeares „Romeo und Julia“, Ibsens „Gespenster“, Nestroys „Talisman“.

Die Aufführungen werden unterschiedlich aufgenommen. Manche regen das Publikum auf. Einen der größten Erfolge hatte der Regisseur mit Werner Schwabs „Präsidentinnen“, derzeit im Akademietheater zu sehen. Hat das Burg-Publikum Bösch endlich ins Herz geschlossen? „Ich hoffe, dass es mich ins Herz geschlossen hat, dass ich ihm ins Gehirn gekrochen bin, es an den Eingeweiden gepackt und den Zuschauern sogar manchmal den Magen umgedreht und die Luft abgeschnürt habe. Mein Ziel ist es, bei den Besuchern das Innerste nach außen zu kehren. Am meisten freut mich, dass ,Mutter Courage‘ nach über 50 Vorstellungen wieder aufgenommen wurde.“ Warum sind gerade die deftigen „Präsidentinnen“ so ein Schlager? „Ich habe Schwabs ,Volksvernichtung‘ inszeniert. Von daher war ich von der Sprachgewalt, dem Humor und der Saftigkeit dieses Autors bereits überzeugt“, sagt Bösch: „In Wien habe ich drei großartige Schauspielerinnen, Regina Fritsch, Barbara Petritsch und Stefanie Dvorak. ,Die Präsidentinnen‘ sind ein Klassiker. Sie werden sehen, im Jahr 2509 wird das eine Ur-Ur-Ur-Ur-Enkelin von Regina Fritsch spielen.“

Ringen um die Utopie. Was inspiriert Bösch bei seiner Arbeit? „Tolle Schauspieler und gute Stücke. Fernsehen, schlafen – und mich langweilen.“ Wie politisch ist Tschechow? „Er hat einen politischen Standpunkt. Diesen äußert er explizit allerdings eher in Briefen und anderen Schriften, besonders in ,Reise nach Sachalin‘“. Tschechow „baute Schulen, Krankenhäuser, behandelte als Arzt viele Arme umsonst“. Eine Anklage des Regimes sei nicht primär Tschechows Ziel gewesen, so Bösch, sondern „er hat sehr genau das Ringen des Menschen um die Utopie beschrieben“. Immer weniger Klassiker werden gespielt, so scheint es. Bösch: „Kann sein, allerdings: Die Klassiker, die wir in 400 Jahren spielen, sind ja noch gar nicht geschrieben, gedacht oder geträumt worden.“ Wie geht es weiter mit dem Theater? „Das wissen wir nicht. Aber vielleicht werden wir alle eingefroren und 2430 wieder aufgetaut. Dann werden wir alles erfahren.“

Tipp

„Drei Schwestern“ zweimal, Burgtheater-Premiere mit Katharina Lorenz, 24. 3.; Staatsoper „Tri Sestri“ von P. Eötvös, 18. 3.

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