Jetzt inszeniert der Ballettdirektor

Manuel Legris
Manuel Legris(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Am Sonntag ist an der Staatsoper in mehrfachem Sinn Premiere: Manuel Legris bringt seine Choreografie des „Corsaire“. Wie und wieso, das erklärte er der „Presse“.

Le Corsaire“ – diesen Titel verknüpfen Ballettomanen hierzulande vor allem mit Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew. Freilich: Anders als der legendäre „Schwanensee“, den dieses Traumpaar einst mit der Wiener Ballett-Compagnie auf Film verewigt hat, gab es an der Staatsoper bis dato von diesem legendären Petipa-Werk nur den großen Pas de deux zu sehen. Bis zu diesem Wochenende: Am Sonntag hat das gesamte Ballett in einer Choreografie von Ballettdirektor Manuel Legris Premiere. Wobei das Wort Premiere mehrfach zutrifft: „Le Corsaire“ stand noch nie auf dem Spielplan des Hauses, Manuel Legris hat noch nie die Choreografie eines abendfüllenden Dreiakters entworfen – und er hat, was man kaum glauben möchte, auch nie in einer der klassischen „Corsaire“-Versionen getanzt!

„Das stimmt wirklich“, sagt Legris, „genau genommen ist das auch der Grund, warum ich dieses Stück für meine erste große choreografische Arbeit gewählt habe. Ich bin nicht beeinflusst, kann ganz unbefangen an die Arbeit herangehen.“

Dass er sich inszenatorisch mit einem abendfüllenden Ballett vorstellen würde, stand für ihn seit Längerem fest: „Ich bin jetzt in meiner sechsten Spielzeit, ich kenne das Wiener Publikum mittlerweile und weiß, dass es die großen, dreiaktigen Stücke liebt. Dass es der ,Corsaire‘ wurde, erklärt sich daraus, dass er für dieses Haus eine wirklich neue Herausforderung darstellt. Und dass wir für alle Personen ideale Tänzer in der Compagnie haben.“ Die kennt Legris mittlerweile genau und freut sich, dass die „Korsaren“-Handlung genau nach jenen Eigenschaften verlangt, die zu den absoluten Stärken der Wiener Solotänzer mit ihrer, so Legris, „russischen und expressiven“ Grundierung gehören.

Der Pas de deux bleibt unangetastet

Neu wird der „Corsaire“ auch in dem Sinn sein, dass Legris sich nicht sklavisch an bisherigen, wenn auch höchst erfolgreichen Choreografien orientieren wird: „80 Prozent sind von mir ganz neu gestaltet“, sagt er. Den berühmten, schon erwähnten Pas de deux, basierend auf Musik von Riccardo Drigo, hat er wie einige andere charakteristische Nummern aber nicht angetastet – „den kennen ja alle Ballettbesucher von den Gala-Aufführungen“, und erwarten ihn bei einem kompletten „Corsaire“ auch zu sehen.

Aber im Übrigen gibt es Legris pur. Auch das musikalische Arrangement ist neu für diese Einstudierung zusammengestellt worden, orientiert sich stärker als Ballettfreunde international gewohnt sind, an der ursprünglichen Partitur von Adolphe Adam. „Ich habe, als ich die originale Musik studierte, zwar begriffen, warum die Choreografen bei verschiedenen Stellen andere Stücke eingeschoben haben, die leichter tänzerisch auszugestalten waren. Aber ich glaube, man kann mit dem Original gut leben – und einige Einschübe habe ich mir auch erlaubt, vor allem aus anderen Kompositionen von Adam. Beim Auswahlprozess hat mich unser Pianist Igor Zapravdin tatkräftig unterstützt.“ Thomas Heinisch und Gábor Kerényi haben dann die endgültige Spielpartitur für Wien erstellt.

Auch die Handlung hat Legris durchforstet und erzählt sie auf seine Weise: „Ich habe, nachdem ich die Quellen studiert habe, zunächst die Geschichte ein bisschen einfacher zu machen versucht. Die ursprüngliche Handlung ist doch ein wenig komplex.“ Unnötig verwirrend, wie Legris meint: „Es soll auch jemand, der nicht vorher das Programmheft genau studiert, intuitiv verstehen, worum es geht.“ Jean-François Vazelle hat das „Wiener Libretto“ dann geschrieben.

Dass sich der Wiener Ballettchef, dessen Vertrag unlängst bis 2020 verlängert wurde, an eine so gewaltige Aufgabe heranwagt, hat durchaus auch mit einer langjährigen Partnerin und Vertrauten, der Ausstatterin Luisa Spinatelli, zu tun, mit der er schon als Tänzer gern zusammengearbeitet hat und die zuletzt auch für die Wiener Neueinstudierung von Rudolf Nurejews „Schwanensee“-Choreografie verantwortlich zeichnete: „Sie hat mich ermuntert, als ich ihr erzählte, dass ich mit der Idee liebäugle, den ,Corsaire‘ zu machen: Dann mach ihn einfach!“

Skizzen für die Scala, nun in Wien

Zumal Skizzen, die Spinatelli für eine mögliche Produktion an der Scala angefertigt hatte, brachlagen, weil sich die Mailänder Pläne zerschlagen hatten. Das kommt Wien nun zugute. Ein Klassiker der Tanzgeschichte, der vor ziemlich genau 150 Jahren an der Pariser Oper das Licht der Welt erblickte und danach über London und St. Petersburg beinah alle Ballett-Metropolen eroberte – ab 1863 vor allem an der von Marius Petipa für St. Petersburg erarbeiteten Neufassung orientiert –, erlebt am 20. März 2016 sein spätes Wien-Debüt, eine Herausforderung, mit der Ballettchef Legris die so innig gewachsene Beziehung mit seiner Compagnie weiter zu vertiefen trachtet. „Das bin ja nicht ich, der da etwas erreicht hat, sondern: Wir haben etwas gemeinsam aufgebaut, an dem wir uns freuen können, und das wir weiterentwickeln möchten“, sagt er: „Ich glaube, diese Premiere kommt gerade im richtigen Moment.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2016)

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