Islamstunde im Schauspielhaus: Niederknien und Koran-Karaoke

 „Islam für Christen: Ein Crashkurs (Level A1)“
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Das Gastspiel „Islam für Christen: Ein Crashkurs (Level A1)“ wollte eine Annäherung an die Religion sein, von der viele doch so wenig wissen. Gelehrt wurden aber keine Inhalte, sondern Gebetshaltung und leere Rituale.

Der Ruf des Muezzin lud zur interaktiven Performance, die am Mittwoch und Donnerstag im Schauspielhaus-Nachbarhaus als Gastspiel zu sehen war. „Islam für Christen: Ein Crashkurs (Level A1)“ stand auf dem Programm und ließ eine theatralische Lehrveranstaltung erwarten, die die Grundlagen des Islams erklärt und dabei der „zunehmenden Abschottungstendenz gegen Muslime“ entgegenwirkt. Schließlich seien der Islam und westliche Werte kein Widerspruch! Ihr Ziel, eine Annäherung (des Publikums) an den Islam, haben Antje Schupp und Beatrice Fleischlin aber weit verfehlt.

Die Münchner Regisseurin/Performerin Schupp und die Schweizer Autorin/Performerin Fleischlin wollten den Islam kennenlernen, haben dazu Moscheen besucht, Salafisten getroffen und sind mit Kopftuch einkaufen gegangen. Ihre Erfahrungen verpackten sie in diese Performance und schmückten die Anekdoten – von Hardlinern, die einer Frau sehr wohl die Hand geben, und Muslimen, die heimlich fasten – mit Lektionen und Übungen aus. Niederschwellig, praxisnah und angstbefreit, so verkündeten die beiden unisono im Marketingsprech, solle die Schule sein.

Das war sie auch, doch das Verständnis zwischen den Religionen zu fördern, Vorurteile abzubauen, das vermochte sie nicht. Jegliche Inhalte des Glaubens, die Positionen dieser Religion, die von vielen als Bedrohung unserer sicheren westlichen Welt angesehen wird, auch Diskussionen über heikle Themen wie Menschenrechte wurden ausgespart. Stattdessen rezitierten die Performerinnen gemeinsam mit dem Publikum Koransuren nach dem Karaokeprinzip, wuschen sich Hände, Füße, Nase, Mund und Ohren mit kaltem Wasser und exerzierten – barfuß auf kleinen Teppichen – die richtige Gebetshaltung wie eine Yogaübung.

Die Welt aus dem Hijab heraus sehen

Klar, es ist ein Perspektivenwechsel: Einmal die Welt aus dem Hijab heraus sehen oder die Spannung in den Oberschenkeln fühlen, wenn man sich kniend nach vorn beugt, bis Stirn und Nase den Boden berühren. Doch was hilft uns das, wenn uns doch die Theorien und Glaubensgrundsätze der Muslime interessieren? Eine Reduzierung des Islams auf leere Rituale lässt ihn seltsam, unheimlich erscheinen und fördert letztlich nur die Entfremdung. Dieses Gefühl konnte auch die als Koranlehrerin geladene Muslima Riham Galal nicht vertreiben, die hauptsächlich betonte, dass ihr der Koran als Richtungsweiser im Leben sehr wichtig ist.

Schupp und Fleischlin bemühten sich, mit Klischees und eingefahrenen Vorstellungen zu spielen, rissen sich das Kopftuch hinunter und setzten es wieder auf, präsentierten sich schließlich in einer Modenschau im Ganzkörperschleier und Bikini – als zwei mögliche Ausformungen einer männerdominierten Gesellschaft. Am Ende gab es Zertifikate für das Publikum: Crashkurs bestanden. Sind wir jetzt gewappnet, Vorurteilen und Anfeindungen gegen Muslime mit neuem Wissen zu begegnen? Nein. Aber unsere Oberschenkel sind gedehnt. Für alles andere ist vielleicht Level A2 nötig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2016)

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