Theater in der Josefstadt: Im bitterbösen Süden der USA

THEATER IN DER JOSEFSTADT: DIE KLEINEN F�CHSE
THEATER IN DER JOSEFSTADT: DIE KLEINEN F�CHSE(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Torsten Fischer inszeniert „Die kleinen Füchse“ von Lillian Hellman trotz glänzender Charakterdarsteller im Ensemble eine Spur zu schnell und leicht.

Wie gnadenlos die „bessere“ Gesellschaft der Südstaaten sein kann, ist in den Romanen William Faulkners und in Tennessee Williams Stücken meisterhaft beschrieben. Auch das 1939 in Washington D. C. uraufgeführte Drama „The Little Foxes“ von Lillian Hellman (1905–1984) zählt zu den Klassikern dieser Art von US-Literatur, mit einer berechnenden, zerstörerischen Frau im Zentrum. Der Titel zitiert die Bibel: „Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die uns die Weinberge verderben“, heißt es im Hohelied. Gemeint sind hier jene ausbeuterischen Emporkömmlinge der Südstaaten, die „alles verschlingen“. In „Die kleinen Füchse“ porträtiert Hellman eine reiche Familie, in der man sich beim Aufstieg gegenseitig ausnehmen und zerstören will.

Am Donnerstag hatte das schonungslose Stück Premiere am Theater in der Josefstadt. Regisseur Torsten Fischer baut auf Charakterdarsteller, die es verstehen, größte Gemeinheiten mühelos zu spielen. Allerdings gibt es eine ungewöhnliche Schwäche dieser Aufführung. Sie dauert inklusive Pause zwar mehr als zwei Stunden, man hätte sich aber etwas mehr Zeit lassen können. Das Tempo entspricht einer Screwball-Comedy, obwohl es sich um eine Tragödie handelt. Zu leicht also. Manchen dieser tödlichen Sätze, dieser unglaublichen Anklagen hätte ein etwas längerer Moment der Stille gutgetan, ein Atemholen, um sie besser zur Wirkung zu bringen.

Bis zum Ende auf der Flucht

Die elektronische Musik, die an diesen Stellen meist unheimlich wird, kann die Spannung zwischen den Agierenden nicht ersetzen. So eilt das Ensemble dem hoffnungslosen Ende zu, als ob es auf der Flucht wäre. Das wirkt dann zuweilen eher doch nur routiniert als mit Intensität gespielt. Immerhin aber ist Sandra Cervik als Mittelpunkt des Dramas überzeugend: Sie spielt die berechnende Bankiersehefrau Regina Giddens, die soeben im Begriff ist, ihre skrupellosen Brüder Ben (André Pohl) und Oscar Hubbard (Tonio Arango) auszutricksen. Diese Besitzer von Baumwollplantagen, Rassisten, die das afroamerikanische Personal (Salka Weber, Oama Richson) quälen, wollen mit dem New Yorker Investor William Marshall (Roman Schmelzer) eine Fabrik errichten. Dazu brauchen sie das Einverständnis der Schwester und vor allem von deren Gatten, Horace Giddens (Herbert Föttinger), der vorerst abwesend ist. Er wird wegen einer Herzkrankheit behandelt, seine Situation ist, wie man später erfährt, hoffnungslos.

Nun beginnt Regina zu feilschen und zu werben, wie eine Spinne im Zentrum des Netzes. Ihr Herrenhaus, von dem man hier vor allem steile schwarze Metalltreppen, hohe Glaswände sowie ein Esszimmer und ein Klavier im Hintergrund sieht, strahlt pure Kälte aus (Bühne und Kostüme: Herbert Schäfer, Vasilis Triantafillopoulos). Regina will weit mehr als das ihr und ihrem Mann zustehende Drittel der Anteile. Sie bezirzt Marshall und umwirbt ihre Tochter Alexandra (Alma Hasun), damit diese ihren Vater für den geplanten Handel günstig stimmt.

Vorerst aber dominieren die Brüder – der berechnende Ben und der gewalttätige Oscar, dessen kriminelle Energie nur von der seines dummdreisten Sohnes Leo (Matthias Franz Stein) übertroffen wird. Oscar ist brutal zu seiner musisch veranlagten Frau Birdie, die von Martina Stilp exzellent gespielt wird. Ihre in trunkenem Zustand gemachte Offenbarung all der Gemeinheiten, die sie in dieser Familie erlitten hatte, gehört zu den intensivsten Szenen der Aufführung. Vergleichbar sind damit die Konfrontationen zwischen dem Ehepaar Giddens. Föttinger und Cervik spielen das perfekt. Diese zwei ersparen sich wirklich nichts mehr, sie leben ihren Hass aus, bis er in einer grauenhaften, ja mörderischen Szene an der Treppe endet. Die betrügerischen Absichten der Brüder und des Neffen waren nur ein Vorspiel, zwischen den entfremdeten Eheleuten regiert längst der Hass. Da fallen erbarmungslos Sätze wie: „Ich hoffe, dass du bald stirbst!“

In ihrem Netz rettungslos gefangen

Es fällt schwer, für die beiden auch nur phasenweise Mitleid zu empfinden, da mag Horace sich noch so sehr unter Schmerzen winden, da mag Regina noch so sehr um Beherrschung ringen. Menschlich wirken Regina und Horace nur, wenn sie mit ihrer Tochter reden. Der Vater will sie retten, indem er sie zur Flucht ermuntert, die Mutter will sie retten, indem sie Alexandra anfleht, bei ihr zu bleiben, mit ihr nach New York zu ziehen. Hasun gibt eine hier seltene Figur – eine sensible Entschlossene, die so wie Horace das Personal als Verbündete hat. Sie wird weggehen. Kann man von einem offenen Ende sprechen? Allein steht Regina auf der Bühne, in ihrem Netz gefangen. Das Licht geht aus.

Lillian Hellmans Erfolgsstück „The Little Foxes“ (1939) wurde von Bernd Samland ins Deutsche übersetzt.

Nächste Termine: 19., 20., 25., 26. und 27. April 2016

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2016)

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