Volkstheater: Anna Badora tadelt ihre Kritiker

PK-VOLKSTHEATER ´SPIELPLAN 2016/2017´: BADORA
PK-VOLKSTHEATER ´SPIELPLAN 2016/2017´: BADORA(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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. Das Motto für die zweite Saison der Direktorin lautet „Gemeinschaft“. Aber bei deren Vorstellung reagierte sie auf Angriffe höchst emotionell und auch kämpferisch.

Als Reaktion auf einige Misstöne hat die Leitung des Volkstheaters am Dienstag ihr Programm für 2016/17 ausgesprochen angriffslustig vorgestellt. Die zweite Saison von Direktorin Anna Badora, sie steht unter dem Motto „Gemeinschaft“, sie ist mit neun Uraufführungen (vier davon im Haupthaus) durchaus ambitioniert. Die Pressekonferenz wurde allerdings von profanen Fragen dominiert – diese konzentrierten sich auf Themen wie Karten-Erlös und Zuschauerzahlen (man liegt bei beiden derzeit unter dem Vorjahreswert). Vor allem aber wurde erneut ein Kräftemessen mit Gewerkschaft und SPÖ offenbar. Wegen der Auflösung der hauseigenen Werkstätten war es offenbar zu gröberen Reibereien gekommen.

Badora zeigte sich besonders bei Letzterem persönlich getroffen. Auf die Frage, wie sich denn die Kapitalismuskritik auf der Bühne mit der Auslagerung der Arbeit der Werkstätten, offenbar ins Ausland, vertrage, sagte sie, nirgendwo sonst als in Wien sei ihr so wenig Wille zur Veränderung begegnet: In dieser Stadt stecke man den Kopf in den Sand und blocke alle Überlegungen dazu mit gewaltiger Kraft ab.

Gewerkschaft forderte Konsequenzen

Als bloßes internes Papier sieht sie einen im Vormonat von Gewerkschaftern erstellten Antrag beim Wiener SPÖ-Parteitag, der kritisch mit der Situation des Volkstheaters umgegangen ist. Diese Kritiker forderten vom Stiftungsrat „bei anhaltendem künstlerischen Misserfolg“ sogar personelle Konsequenzen. Badora findet das „ungeheuerlich“. Nicht die Gewerkschaften, sondern die Theaterkritiker sollten „unsere künstlerische Qualität“ beurteilen. Ihren durchwachsenen Beginn in Wien nach beachtlichen Erfolgen in Graz rechtfertigte sie so: Es sei extrem schwierig, das Publikum bereits in der ersten Spielzeit zu gewinnen. Das sei ihr auch in Graz nicht gelungen. Außerdem habe man bewusst polarisiert, damit Haltung bezogen werden könne. Mit den Abonnenten des Volkstheaters in den Bezirken, die offenbar besonders unzufrieden sind, werde man das Gespräch suchen.

Glavinic inszeniert sein erstes Stück

Cay Stefan Urbanek, der Kaufmännische Direktor des Volkstheaters, gab auf Nachfragen erste Zahlen als Zwischenbilanz der ersten Saison bekannt. Die Auslastung betrage 67 bis 69 Prozent, das sei mit der letzten Saison von Badoras Vorgänger Michael Schottenberg vergleichbar. Allerdings wurden die Sitzplätze im Haupthaus von 970 auf 850 reduziert. Urbanek rechnet mit einem ausgeglichenen Ergebnis. Auf konkrete Zahlen zu einem kolportierten Abonnentenschwund wollte sich die Leitung noch nicht einlassen.

Für die nächste Spielzeit sind 20 Produktionen sowie einige Extras und Festivals angekündigt. Sie beginnt am 9. 9. mit der Dramatisierung von Katherine Anne Porters Roman „Das Narrenschiff“, Regie: Dušan David Pařízek. Badora wird Grillparzers „Medea“ inszenieren (20. 11.). Weiter an das Haus gebunden sind renommierte Theatermacher wie Yael Ronen mit einer Überarbeitung der Grazer Produktion von „Niemandsland“ (25. 9.), Miloš Lolić mit Jelineks „Rechnitz“ (11. 12.), Viktor Bodó mit einer Dramatisierung von E.T.A. Hoffmanns Märchen „Klein Zaches“ (12. 2. 2017), Philipp Preuss mit Horváths „Kasimir und Karoline“ (17. 3.), Nikolaus Habjan mit Lessings „Nathan der Weise“ (7. 4. ) – zum Teil als Puppenspiel. Im Haupthaus inszeniert Felix Hafner den „Menschenfeind“ von Molière (1. 10. 2016) und Christine Eder eine „Untergangsrevue“ namens „Alles Walzer, alles brennt“ (16. 10.). Im Volx, der Nebenbühne in Margareten, gibt es fast nur Ur- und Erstaufführungen. Inklusive der Premieren für das Volkstheater in den Bezirken sind dort elf neue Produktionen geplant, u. a. die Uraufführung von „Mugshots“.

Dieses Stück war bereits für diese Saison vorgesehen, wurde aber wegen künstlerischer Differenzen auf Dezember 2016 verschoben. Autor Thomas Glavinic wird nun selbst bei seinem ersten Drama Regie führen. Ibrahim Amirs „Homohalal“ hingegen, das mit dem Thema Flüchtlinge kritisch umgeht und während der Proben abgesagt wurde, ist wohl endgültig weg.

ZUR PERSON

Anna Badora wurde 1951 in Częstochowa in Polen geboren. Sie studierte am Max-Reinhardt-Seminar in Wien Regie, etablierte sich danach bald als freie Regisseurin an Theatern in Essen, Basel, Ulm, München und Wien. Ab 1991 war Badora Schauspieldirektorin in Mainz, ab 1996 Generalintendantin in Düsseldorf, ab 2006 leitete sie das Schauspielhaus Graz. Für ihre Arbeit dort wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Mit der Spielzeit 2015/16 folgte sie im Wiener Volkstheater als künstlerische Direktorin auf Michael Schottenberg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

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