Webern-Drama: Uraufführung am Semmering

(c) Kultursommer Semmering
  • Drucken

Otto Brusatti arrangierte das frühe, nachgelassene Drama „Tot“ Anton von Weberns.

Vor 71 Jahren wurde Anton von Webern in Mittersill von einem Besatzungssoldaten erschossen. Arnold Schönbergs Meisterschüler hat die Stilgeschichte der Neuen Musik nach dem Zweiten Weltkrieg wie kein anderer geprägt, blieb aber eine der rätselhaften Figuren der Musikgeschichte. Seine Verehrer versuchen bestimmte seiner Charakterzüge und (deutlich deutschnational geprägten) politischen Überzeugungen bis heute möglichst verdeckt zu halten. Überdies verlor Weberns Nachruhm mit der „Postmoderne“ deutlich an Strahlkraft.

Umso spannender, zur Neujustierung unserer Sicht auf diese Künstlerpersönlichkeit mit einem Werk konfrontiert zu werden, das bisher unaufgeführt geblieben ist – und das den Sprachkünstler Webern repräsentiert. 1912/13 schrieb er ein Drama namens „Tot“. Otto Brusatti hat es für die späte Uraufführung eingerichtet.

Das Werk handelt von einem Paar, das sich über der Trauerarbeit angesichts seines toten Kindes auseinanderlebt und in der Natur, in Frömmigkeit aber auch in Gottesverfluchungen und Wahnvorstellungen Auswege sucht. Dieses „Meisterwerk des Expressionismus“, so die Veranstalter vom Kultur.Sommer.Semmering, wird auch durch musikalische Untermalungen und Umrahmungen neu definiert, die von Webern'schen Originalklängen bis zu Jodlern und akustischen Interventionen der Gruppe Mischwerk reichen. Die scheinbar unvereinbare Mixtur spiegelt wiederum des Komponisten eigene Persönlichkeit, die zwar die Musiksprache der Moderne in bis zu diesem Zeitpunkt ungeahnte Regionen voranzutreiben wusste, andererseits aber gern auch dem Hang zu einer bürgerlich-zünftigen Lebensweise nachgab.

Mödlinger Männergesangverein

Manche Details aus Weberns Vita können Kommentatoren bis heute nur schwer mit der bis an die Grenzen der Stille und des (Ver-)Schweigens getriebenen Konzentration der Webern'schen Tonsprache vereinen. Der Komponist war etwa auch im Präsidium des Mödlinger Männergesangvereins tätig, der Mitglieder für ihre „Verdienste um deutsches Lied und deutsche Art“ ehrte. Arnold Schönberg fragte aus dem amerikanischen Exil nach, ob die Gerüchte, Webern sei ein Nazi-Parteigänger geworden, denn stimmten, bevor er dem Schüler sein Violinkonzert zueignete. Vor Weberns rigorosen Ausformungen seiner eigenen sogenannten Zwölftonmethode stand selbst der Lehrer mit Staunen; Schönbergs Antipode Igor Strawinsky wiederum näherte sich im Alter gerade Webern mit Hingabe.

Beschäftigung mit Literatur und Drama war für den Schönberg-Kreis eine Selbstverständlichkeit. Anekdotisch überliefert ist die spontane Reaktion des 24-jährigen Webern auf Gustav Mahlers Frage, wie es die Jungen denn mit Dostojewski hielten: „Herr Direktor, wir haben aber jetzt den Strindberg.“
Das Kurhaus am Semmering bildet den Rahmen für die posthume Uraufführung von Weberns Theaterstück. (sin)

Premiere: 25. 8., 19.30 Uhr; Reprisen: 26. 8., 19.30 Uhr, und 27. 8., 15 und 19.30 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.