Sara Tamburini: „Kleist würde ich gern treffen“

Sara Tamburini als Miranda in William Shakespeares „Der Sturm“ bei den Salzburger Festspielen auf der Pernerinsel in Hallein.
Sara Tamburini als Miranda in William Shakespeares „Der Sturm“ bei den Salzburger Festspielen auf der Pernerinsel in Hallein.(c) Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus
  • Drucken

Sara Tamburini, die in Salzburg als Miranda debütiert hat, erzählt von Shakespeares Zauber, ihrer Liebe zur Musik und der Lust auf die Rolle der Penthesilea.

Die Presse: Sie haben im Vorjahr Ihr Studium abgeschlossen und bereits während der Schauspielausbildung am Münchner Residenztheater gespielt. Soeben waren Sie bei den Salzburger Festspielen als Miranda in Shakespeares „Der Sturm“ zu sehen. Wie kommt es zu so einem Blitzstart?

Sara Tamburini: Es war eben Glück. Ich wurde der Regisseurin Deborah Warner von einem Schauspieler empfohlen und durfte in Berlin bei ihr vorsprechen. Sie hat mich tatsächlich für diese Inszenierung genommen.


Wie erging es Ihnen bei den Proben?

Es war aufregend, da treffe ich Kleine all diese berühmten Schauspieler. Aber ich wurde herzlich aufgenommen, niemand hatte Allüren, und dann wurden die Proben ohnehin sehr rasch so spannend, dass keine Zeit für Nervosität blieb. Am Anfang ist es vor allem ein Suchen nach der Rolle, aber dann mit den Aufführungen bekommt sie immer mehr Kontur. Unzufrieden bin ich aber dennoch – mit mir. Ich neige dazu, mich nach einer Premiere zu fragen, ob ich nicht doch noch etwas mehr aus mir hätte herausholen können. Zufrieden war ich noch lang nicht.


Sie reden jetzt fast wie ein Theaterkritiker. Die Bewertungen des „Sturm“ waren durchwachsen. Wie gehen Sie damit um?

Die Kritiken, die ich gelesen habe, waren sehr unterschiedlich. Ich wurde zum Teil wirklich übel verrissen. Das muss man akzeptieren. Soll doch jeder seine Meinung haben. Was ich aber schade finde, sind Totschlagargumente. Wenn jemand schreibt: „unerträglich auf der Bühne“ – ja, da hat jemand mich gemeint! –, würde ich zu dieser Feststellung gern auch noch schlüssige Argumente lesen.


Das Stück hat Shakespeare spät geschrieben. Manche Bewunderer raunen, „Der Sturm“ wäre sein Testament. Stimmt das?

Falsche Frage. Vielleicht sollte man nicht so sehr über Shakespeare nachdenken, die Entstehungsgeschichte, sondern sich bei diesem zauberhaften Stück fragen: Wer bin ich? Wohin gehe ich? An Prospero interessiert mich besonders, wie er mit Vergebung umgeht. Man möchte wissen, was in seinem Kopf vor sich geht, ob vielleicht all das, was auf der Bühne geschieht, nur in seinem Kopf ist.


Welche Szenen haben Sie jetzt im Kopf?

Prosperos großen Monolog, der „Stoff, aus dem die Träume sind . . .“, da kriegt man Gänsehaut, aber auch, wenn Caliban sagt, diese Insel sei voll mit Klängen.


Was sagten Ihre Eltern dazu, als Sie ihnen sagten, Sie wollten auf die Bühne?

Sie fragten: „Was???“ Wie wohl alle Eltern träumten sie von einem „anständigen“ Beruf für mich. Pech gehabt! Auch bei meiner jüngeren Schwester erging es ihnen so. Sie hat Kunst studiert, Malerei. Aber jetzt im Ernst: Unsere Eltern haben unsere Entscheidungen natürlich rasch akzeptiert.


Wie hat das Schauspielen konkret bei Ihnen begonnen?

Angefangen hat es bei mir mit einem Kassettenrekorder, den mir mein Großvater geschenkt hat, als ich drei Jahre alt war. Da war Luciano Pavarotti drin, mit der Arie „Nessun dorma“. Ich habe auch gesungen und gesungen und wurde darin bestärkt, dass ich eine tolle Stimme habe. Dann habe ich tatsächlich mit acht Jahren klassischen Gesangsunterricht genommen und wurde in den Kinderchor der Oper in Zürich aufgenommen. Das war für mich Heimat, mein Fluchtort.


Warum sind Sie nicht Sängerin geworden?

Als Teenager habe ich die Gesangsausbildung abgebrochen, da musste ich ja cool sein. Aber bald ging es mir richtig ab, ich fing dann zum Schauspielern an, im Jugendklub des Schauspielhauses Zürich. Bald wusste ich: Das ist es! Ich habe zwar noch mein Abitur fertiggemacht und zudem zwei Jahre Gesang am Mozarteum studiert. Die Staatliche Schauspielschule in Hannover habe ich nach eineinhalb Jahren abgebrochen, bei Sprüngli gearbeitet, um Geld zu verdienen. Schließlich bewarb ich mich bei der Theaterakademie August Everding in München.


Was haben Sie vorgesprochen?

Die Nina aus der „Möwe“, die Vera aus „In den Augen eines Fremden“ und die „Emilia Galotti“. München wurde prägend für mich. Ich hatte die schwerste Zeit und auch die tollste Zeit. Beides hat sich im Nachhinein als gut herausgestellt, auch die heftige Kritik, die ich anfangs wegstecken musste. Mir sind die Monologe schwergefallen.


Was war an der Akademie gerade Mode?

Die klassische Ausbildung. Das war mir ein Anliegen, sie ist mir lieber als modische performative Kunst. Ich dachte, wenn ich erst einmal die Grundlagen habe, kann ich das andere allemal noch machen. Schön war an dieser Schule, dass man viel Eigenes ausprobieren konnte, das wurde stark gefördert.


Darf man Sie fragen, was Sie am liebsten spielen wollen?

Das beantworte ich gern. Kleists „Penthesilea“ steht dick auf meiner Liste. Das möchte ich machen. Aber dafür habe ich noch Zeit. Ich mag auch Schiller, aber Kleist ist bei den deutschsprachigen Dramatikern wohl der beste. Von den Briten liebe ich Sarah Kane.


Und wen würden Sie gern treffen?

Alle leider schon tot: Eleonora Duse und Jeanne d'Arc. Kleist und Antonin Artaud.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.