Salon5: Ein Solo für Bachmann und Jelinek

Maxi Blaha.
Maxi Blaha.(c) Pierre Wetzel/Salon5
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Mit „Es gibt mich nur im Spiegelbild“ gastierte Maxi Blaha am Thalhof in Reichenau. Die Verquickung von Texten zweier großer Dichterinnen auf der Bühne ist klug gemacht.

Was für ein Literaturkoffer! Der muss ganz schön schwer sein. Geöffnet liegt er vorn auf der Bühne des Thalhofs in Reichenau und quillt über von offenbar ungeordneten Manuskripten. Was für ein Schreibtisch gleich daneben! Er verbirgt sich unter einer riesigen Decke aus Papier, die mit Satzfetzen bedruckt ist, kunstvoll drapiert zu einem Literaturgebirge aus Zitaten. Mitten darin steht eine nicht einmal mehr halb volle Flasche mit brauner Flüssigkeit. Es könnte billiger Bourbon sein. Als weitere Requisiten hat Bühnenbildnerin Claudia Vallant nur Lampen, einen Putzfetzen und eine Sprühflasche mit Fensterreiniger vorgesehen, sowie rote Bleistifte und Papier – beschriebenes, unbeschriebenes, und vor allem zerknülltes.

So chaotisch sieht also eine Dichterinnenklause aus. In ihr spinnt Maxi Blaha eine Stunde lang ein raffiniertes Geflecht an Text, das Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und ihre große, vor 43 Jahren gestorbene Kollegin Ingeborg Bachmann thematisch in Beziehung setzt. Blaha hatte die zündende Idee zu dieser Konjunktion, fragte Jelinek, ob sie für ihr Schauspielsolo über ein Dichterinnenduo Texte beisteuern würde. Diese war angetan davon, steuerte exklusiven Stoff bei, und so ist unter der Regie von Martina Gredler ein wirklich schönes Stück daraus geworden. Sein Titel: „Es gibt mich nur im Spiegelbild. Jelinek/Bachmann“. Beim Klagenfurter Wettlesen 2016 gab es die Uraufführung, am Dienstag war nun ein Gastspiel am Thalhof in Reichenau zu sehen, beim Sommerfestival von Salon5, das in dieser Saison mit einem ambitionierten Programm zur Rax lockt.

In diesem Solo geht es um kreative Prozesse, um Rollenspiele der Frau in unserer noch immer patriarchalisch geprägten Gesellschaft, um Liebe, Einsamkeit und vor allem die vierte Wand (die dramatische Variante vieler unsichtbarer Wände, gläserner Decken), die nicht gewaltsam durchbrochen, sondern (sur)realistisch geputzt wird. Mehrmals stellt sich Blaha dafür an die Rampe und enthüllt Unterdrückungsmechanismen als Slapstick.

Die verflixte unsichtbare Wand

Diese verflixte Wand, sie ist doch ein elementares Thema weiblicher Gegenwartsliteratur, auch in Österreich. Marlen Haushofer hat ihren erfolgreichsten, 1963 publizierten Roman „Die Wand“ genannt. Bei Bachmanns Roman „Malina“ von 1971 verschwindet die Ich-Erzählerin am Ende todesmetaphorisch in einer Ritze der Hauswand. Und bei Jelinek wird die Wand in den „Prinzessinnendramen“ sowie in essayistischer Form thematisiert. All das kommt brutal Schlag auf Schlag, es erinnert auch an „The Bell Jar“, den einzigen Roman von Sylvia Plath, der 1963 unter einem Pseudonym veröffentlicht wurde – in dem Jahr, als die geniale US-Autorin Selbstmord beging.

Glasglocken und Wände können depressiv machen, aber hier gibt es dank Jelinek die rettende Ironie und den wirksamen Gegenangriff des Sarkasmus. Ihre Sprache mag „ein Trümmerhaufen“ sein, doch bleibt ihr genug Kraft, um sich pointiert lustig zu machen über Männer, die sich niemals infrage stellen würden, über Sexgeschichten und Heiratssachen, Mode und andere Ticks, denen man/frau leichtfertig verfallen kann: „Eine Frau ist zu erschaffen für ein Hauskleid“, sagt die Erzählerin, die in einem schicken Kimono über die Bühne paradiert. Ein andermal, jetzt ist es eher Inge als Elfie, scheint sie vor einem Rendezvous verzweifelt darüber, unter all den Büchern von Philosophen oder Dichtern kein Kochbuch zu finden. Macht nichts! „Ich existiere nur, wenn ich schreibe“, heißt es an einer befremdenden, stillen Stelle. Da ist die Whiskeyflasche fast schon leer. Der einsamste aller Sätze gegen Ende hin lautet: „Ich bin Niemandsfrau.“ Oh Jedermann, höre!
Wie zum Trost für diese selbst auferlegte Isolation wird ein wenig gesungen, ein französisches Chanson oder exaltierte Dichterinnen-Raps, stets einfühlsam begleitet von Simon Raab am Klavier, der auch für die Kompositionen zeichnet. An diesem Abend erlebt man mehr als nur ein Spiegelbild. Es ist ein feines poetisches Psychogramm geworden.

Die nächsten Termine: Theatermuseum Wien, Palais Lobkowitz, am 25., 26. und 30. September (20 Uhr)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2016)

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