Wiener Kammerspiele: „Mal ehrlich, sind Sie ein Rassist?“

Großartige Besetzung für die zarte Multikultur-Satire „Monsieur Claude und seine Töchter“.
Großartige Besetzung für die zarte Multikultur-Satire „Monsieur Claude und seine Töchter“. (c) APA/ROLAND SCHLAGER
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„Monsieur Claude und seine Töchter“, ein entzückender Film, bewährt sich auch auf der Bühne. Folke Braband zündet souverän ein Pointenfeuerwerk.

Essen Chinesen Hunde? Sind alle Araber Terroristen – und alle Juden tüchtige Geschäftsleute? Mit Vorurteilen spielt der Komödienerfolg „Monsieur Claude und seine Töchter“ von Philippe de Chauveron und Guy Laurent. Aber auch Stefan Zimmermanns Theaterfassung, seit Donnerstagabend in den Kammerspielen zu erleben, erfreut. Ein Notar aus Chinon, bekannt durch die gleichnamige Burg im Loiretal, hat vier Töchter, keine bringt ihm, wie er hofft, einen echt französischen Ehemann. Stattdessen tragen die Schwiegersöhne mit Migrationshintergrund Fehden am Familientisch aus. Daraus ergeben sich allerlei heitere Verwicklungen. Zu harmlos, fanden manche Kritiker. Allerdings: Die Geschichte bietet Trost angesichts unüberwindlich scheinender religiöser und/oder rassischer Gegensätze.

Filme gegen Fremdenfeindlichkeit hat es immer gegeben, vom Klassiker „Rat mal, wer zum Essen kommt“ (1967) bis „Madame Mallory und der Duft von Curry“ mit Helen Mirren (2014). Folke Braband, der den Kammerspielen 2010 den Renner „Ladies Night“ bescherte, hat „Monsieur Claude“ inszeniert. Den leichten Ton des Films behielt er bei.

Annäherung bei Angeln und Calvados

Zwischen koscherem Champagner und Truthahn à la Sichuan amüsierte sich das Publikum köstlich. Siegfried Walther schwingt als Notar Claude Verneuil, Patriarch, Familienmensch, Gaullist, kurz die Kettensäge, als auch seine jüngste Tochter Laura (Martina Ebm) Charles (Peter M. Marton), einen „maximal pigmentierten“ Schauspieler von der Elfenbeinküste, heiraten will. Indes: Charles' Vater André Koffi (Félix Kama) lehnt gemischtrassige Ehen ebenso ab wie Monsieur Claude. Beim Angeln und beim Calvados freunden sich die zwei an. Susa Meyer spielt Verneuils Frau Marie, hin- und hergerissen zwischen der Loyalität zu ihrem cholerischen Gatten, Neugier auf fremde Kulturen und Technologien (Skype!) und der Liebe zu ihren Kindern. Juristin Isabelle (Michaela Kaspar) heiratet Abderazak Benassem (Ljubiša Lupo Grujčić), der in Verneuil Seniors Kanzlei arbeitet. Öfter findet der Nachwuchs in scheinbar fernen Sphären Vertrautes.

Treffende Dialoge mit Esprit

Silvia Meisterle gibt die sensible Malerin Michelle, die sich in einen chinesischen Banker (Vincent Bueno) verliebt – und Daniela Golpashin Adèle, die hofft, dass ihr Mann Abraham (Martin Niedermair) endlich mit seinen Geschäften auf einen grünen Zweig kommt. Ida Ouhé-Schmidt wetteifert als Madeleine Koffi mit ihrem Bühnengatten (Kama) um die Zuschauergunst. Die zwei sind herrlich als typisches Mittelstandspaar im Zwiespalt zwischen ihrem eigenen und dem französischen Lebensstil.

Der Mittelstand, das wird bei aller Not, den Kriegen, dem Elend auf dieser Erde manchmal vergessen, wächst ja weltweit – und damit auch das Selbstbewusstsein, sich im Balanceakt zwischen der traditionellen Kultur und jener der Kolonialmächte zu orientieren. Die dankbarsten Rollen an diesem Abend hat der spindeldürre Markus Kofler. Er spielt sie weidlich aus und begeistert als Rabbi und Pfarrer – beide sind mehr in ihrer Lehre als bei den Menschen und ihren Sorgen zu Hause – als Psychologe, der Marie Verneuils Depressionen behandelt, als ungeliebter Galan und als Polizist.

Alles in allem: ein höchst vergnüglicher Abend mit Esprit in den Kammerspielen, den das Publikum mit dem Test im Programmheft beschließen kann, der da heißt: „Mal ehrlich, sind Sie ein Rassist?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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