„Coriolan ist überhaupt nicht sympathisch“

FOTOPROBE ´CORIOLAN´
FOTOPROBE ´CORIOLAN´(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Ab diesem Freitag spielt Cornelius Obonya im Akademietheater die Titelrolle in Shakespeares Tragödie. Ein Gespräch über „gefährliche Arznei“, Konfrontationen mit seiner Mutter, Elisabeth Orth, und den Jedermann lebenslang.

Die Presse: Sie haben bei den Salzburger Festspielen in vier Saisonen den Jedermann gespielt. Jetzt ist es aus mit ihm, für Sie. Geht dieser Mann Ihnen schon ab?

Cornelius Obonya: Nein. Ich konnte mich auf den Abschied lang vorbereiten. Er hat mich weder gestört noch besonders gefreut. Ich habe mich vom Jedermann ganz normal verabschiedet wie von jeder Rolle. Allerdings ist der Zirkus drumherum wunderschön. Den letzten Sommer habe ich ganz besonders genossen. Jetzt ist es aus, aber diese Rolle bleibt einem trotzdem lebenslang. Sie bringt ungeheure Prominenz mit sich. Das muss man mögen. Wer das nicht will, sollte es lassen.

Wer sind die aufdringlichsten Fans?

Die Schulterklopfer. Ich wusste gar nicht, dass ich so viele Freunde habe – das ist offenbar ein Jedermann-Schicksal.

Wie wirkt sich diese Rolle beruflich aus?

Ich habe von den abenteuerlichsten Gerüchten gehört. Das neueste diesen Sommer war, dass ich mir von der Gage ein Schloss in der Steiermark gekauft hätte. Schön wäre es! Ein negatives: Nach dem Jedermann könne ich ohnehin nichts mehr spielen. Eines stimmt jedoch: Die Rolle bereichert einen schauspielerisch mehr, als ich erwartet hätte.

Sie spielen ab Freitag die Titelrolle in Shakespeares „Coriolan“. Ist das ein Gastspiel oder bereits langsame Heimkehr?

Es ist ein Gastspiel. Ich liebe meine Unabhängigkeit. Sie gibt mir Sicherheit. Zwar ist es auch fein, in einem Ensemble zu sein, das habe ich auch viele Jahre am Volkstheater, an der Schaubühne Berlin und am Burgtheater gemacht, aber durch mein freies Arbeiten habe ich wesentlich mehr erlebt.

„Coriolan“ gilt als besonders schwieriges Stück. Ist der Titelheld tatsächlich bloß eine „Killermaschine“, wie manche Literaturkritiker behaupten?

Nein, damit hat er ganz wenig zu tun. Coriolan ist eine Überhöhung. Welcher Mann geht schon allein in eine feindliche Stadt und erobert sie mit dem Messer in der Hand? Mir gefallen die Interpretationen von James Shapiro und Stephen Greenblatt, die von einem weiteren Bruch sprechen, der mit diesem Werk erfolgt. Nach früheren Werken hat Shakespeare ab „Hamlet“ circa um 1600 damit begonnen, in seinen Dramen Innensichten zu zeigen, die es zuvor nie gegeben hat. Innere Monologe werden nach außen gebracht. Bei „Coriolan“ dagegen geht er laut diesen Literaturwissenschaftlern noch weiter. Die Zuseher müssen sich dazudenken, was in ihm vorgeht, weil er die inneren Monologe oder Seelenansichten verweigert.

Was geht in Coriolan denn vor?

Die Überhöhung des Krieges ist nur dazu da zu zeigen, wie dieser Mensch ist. Er ist überhaupt nicht sympathisch. Dieser Soldat soll nun aber Politiker werden. Er ist dazu gar nicht fähig, will gar nicht Konsul werden und gerät durch die Überforderung in einen ungeheuren Zwiespalt. Verhandelt wird vor allem, welche Fragen man dem Volk stellen soll. Das ist immer zeitgemäß. Mich erinnert es frappant an den Brexit. Soll man quasi diktatorisch gegen den Willen des Volkes das tun, was ihm hilft, oder geht man den beschwerlichen Weg der Demokratie? Coriolan spricht das aus, als er die Tribunen loswerden will. Er fragt das Volk, ob sie den Mut hätten, den Staat mit „gefährlicher Arznei“ zu kurieren. Er ist enorm elitär. Und das Volk ist sehr wankelmütig. Für Verteidiger der Demokratie, einer Staatsform mit Schwächen, aber der besten, die wir haben, gibt es keine Alternative. Entscheidungen müssen über die Überzeugung laufen, nicht über die Lüge. Das ist mühselig, aber unabdingbar. Ich verstehe niemanden, der freiwillig auf sein Wahlrecht verzichtet.

Was sind für Sie die größten Stärken und Schwächen Coriolans?

Man könnte im Kriegsfall seine Geradlinigkeit als Stärke sehen. Er ist der Einzige, der seine Haltung nie ändert. Im Krieg wünscht sich ein Staat meist auch einen General wie Norman Schwarzkopf. Coriolan ist ein siegreicher Kriegsgott. Im Friedensfall geht bei ihm aber gar nichts. Seine größte Schwäche: Er hat zwar eine Haltung, ist aber zugleich absolut unfähig, sie zu adaptieren. Er besitzt deshalb politisch keine Überzeugungskraft.

Coriolans Mutter, Volumnia, scheint diesen zu lenken, zu manipulieren. Im Akademietheater spielt Ihre Mutter, Elisabeth Orth, diese Rolle. Ganz indiskret gefragt: Wie gehen Sie damit um?

Es ist ein Spaß. Er besteht darin, dass wir uns in den Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Sohn auf der Bühne an die Konfrontationen erinnern, die wir selbst auch miteinander hatten. Meine Mutter ist ohne Zweifel eine starke Frau und hat mir diesen Charakterzug mitgegeben. Das bedingt aber auch, dass wir uns mit der gleichen Stärke fetzen. Ich bin zum Diskutieren erzogen worden. Also mache ich es auch. Zur Rolle der Volumnia: Sie ist kein Monster, sondern eine furchtbar elitäre Patriotin.

Wie viele Rollen in Shakespeare-Dramen haben Sie schon gespielt?

Ganz wenige, viel zu wenige. Einmal in „Was ihr wollt“, dann bin ich bei „Troilus und Cressida“ eingesprungen. Ich wollte immer schon in seinen Stücken spielen, doch ich dränge mich nicht auf. Dieser „Coriolan“ ist ein Uraltprojekt von meiner Mutter und mir. Vor zwanzig Jahren hat sie mir gesagt, ich müsste ihn später einmal mit ihr als Mutter spielen. Jetzt war die Zeit reif.

ZUR PERSON

Cornelius Obonya, geboren 1969 in Wien, spielte seit 1989 am Volkstheater, dann an der Schaubühne in Berlin und am Burgtheater sowie als freier Schauspieler. Von 2013 bis 2016 war er bei den Salzburger Festspielen der Jedermann. Er ist der Sohn der Burgschauspieler Elisabeth Orth und Hanns Obonya. Seinen Vater verlor er mit neun Jahren. Die Großeltern mütterlicherseits sind die Burgschauspieler Attila Hörbiger und Paula Wessely.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2016)

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