„Mahana“: Rebellion im Maori-Patriarchat

Mahana
MahanaPolyfilm
  • Drucken

Der neuseeländische Regisseur Lee Tamahori widmet sich mit „Mahana“ seinen indigenen Wurzeln – und erzählt eine psychologisch nuancierte Coming-of-Age-Geschichte.

Es ist eine archaische Welt, die Lee Tamahori in „Mahana“ vor dem Zuschauer auffaltet, eine Welt wogender Hügel und eiserner Traditionen. Hier, an der Ostküste Neuseelands in den späten Fünfzigern, reitet man noch mit dem Pferd in die Arbeit, und Emanzipation scheint ein Fremdwort zu sein. Doch Zeiten ändern sich, unvermeidlich – und genau davon handelt der Film. Die Erzählung dreht sich um die Mahanas, so heißt der Maori-Clan. Seine drei Generationen – es sind so viele Menschen, dass Tamahori sich gar nicht erst bemüht, alle vorzustellen – leben unter einem Dach. Die Männer verdingen sich als Schafscherer, die Frauen kümmern sich um den Haushalt.

Über allem und allen thront der gestrenge Patriarch Tamihana (ehrfurchtgebietend: Temuera Morrison). Ihm gehört das abgelegene Anwesen der Familie, er hat ihren Wohlstand aufgebaut, sein Wort ist Gesetz. „Großvater würde das nicht erlauben“ ist der Satz, den man im Film am öftesten hört – wie ein Offizier mustert der Alte seine Nachkommenschaft vor jedem öffentlichen Auftritt, wacht über Sitte und Moral. Doch in seinem Enkel, dem charakterstarken und cleveren 14-jährigen Simeon (Akuhata Keefe), keimt die Rebellion – und somit auch das Ende einer Ära.

Tamahori ist einer der wenigen international erfolgreichen Regisseure mit Maori-Wurzeln. Schon 1994 drehte er mit „Die letzte Kriegerin“ („Once Were Warriors“ im Original) ein indigenes Familiendrama in seinem Heimatland, auch damals spielte Morrison eine brutale Vaterfigur. Der kraftvolle Erstling ebnete Tamahori den Weg nach Hollywood, wo er sich auf Action- und Thrillerkonfektion spezialisierte: Von ihm stammt auch die Bond-Episode „Stirb an einem anderen Tag“. Mit „Mahana“, der Adaption eines Romans des Maori-Autors Witi Ihimaera, kehrt er zurück nach Neuseeland – und zum respektierten Qualitätskino seines Debüts.

Außen sanft, innen hart

Von einem Epos zu sprechen, wäre verfehlt, dazu fehlt es der beschaulich-luftigen Inszenierung an Schwere. Dafür bietet der Film mehr psychologische Nuancen, als sein zentraler Generationskonflikt vermuten lässt: Ironischerweise gibt erst Tamihanas strenge Erziehung Simeon die Kraft, dem Paterfamilias die Stirn zu bieten. Anfangs zeigt ihm dieser, wie man richtig Holz hackt, gibt seiner Bewegung die nötige Wucht. Später, als Simeons Sippe sich nach einem Streit vom Mahana-Clan abspaltet, findet man diese Wucht wieder in den Schlägen, mit denen der Teenager Sträucher für die wirtschaftliche Unabhängigkeit seiner Eltern rodet. Jungdarsteller Keefe ist auch deshalb so überzeugend, weil man seiner sanften Erscheinung diese innere Härte und Souveränität erst nicht zutraut.

Überhaupt funktioniert „Mahana“ am besten als Coming-of-Age-Story. Für seine schönsten Momente sorgen Randnotizen über Simeons Alltag abseits der Familienfehden: eine ausgelassene Kinovorführung, ein Schulausflug ins Gericht, wo die Diskriminierung der Maori ganz beiläufig deutlich wird, die ersten Flirts mit einem Mädchen aus einem verfeindeten Clan. Weniger gelungen sind die Versuche Tamahoris, Pathos zu pumpen. Das melodramatische Finale mutet erst an wie eine griechische Tragödie – doch ganz am Ende steht etwas für diese Art von Film Überraschendes: ein Kompromiss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.