Ein Stück Energie für einen Körper mit "Sand im Getriebe"

(c) Theresa Rauter
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Doris Uhlich arbeitet für "Ravemachine" mit Michael Turinsky zusammen, der im Rollstuhl sitzt. Dort nimmt auch Uhlich nun wie selbstverständlich Platz - und Turinsky hat seine Skepsis gegenüber Technomusik abgelegt. Ab morgen im Brut, am Samstag im WUK mit Raveparty.

Eine der herausragendsten Eigenschaften der Tänzerin und Choreografin Doris Uhlich ist ihre Experimentierfreude. Mainstream? Perfekte Körper? Schmeichelnde Sounds? Das interessiert sie nicht. Dafür findet sie, Performer sollten ihren Körper spüren, vor Energie sprühen und – wenn möglich – auch gleich das Publikum damit aufladen. Gemeinsam mit Michael Turinsky hat sie sich für ihr neues Stück „Ravemachine“ auf die Suche gemacht: „Wie lässt sich Energie in Tanzschritten bündeln?“ Am Anfang standen die Stichworte Energie und Maschine.

„Nach einer Vorstellung von meinem Rütteltisch-Solo ,Universal Dancer‘ haben mir Rollstuhlfahrerinnen gesagt, sie hätten so gern mitgetan, wären so gern mitgerüttelt“, erzählt Uhlich. „Und ich habe gesagt: Stimmt! Ihr seid ja die Technoexperten, denn Techno speist sich aus elektronischen Sounds.“ Ein elektronischer Rollstuhl macht solche Töne – Uhlich überträgt sie in „Ravemachine“ in wummernde Techno-Beats. So kam es, dass bei diesem Stück ein E-Rollstuhl, ein normaler „Rolli“, wie sie ihn nennt, und ein Rollstuhlfahrer dabei sind. Turinsky war skeptisch. Nicht nur, weil er „wenig Bezug zu Technomusik“ hat, die Uhlich für dieses Stück gewählt hat, sondern weil er sich nicht sicher war, ob es ihm gefallen würde, sich an der Regelmäßigkeit eines geraden Beats zu orientieren: „Mein Körper hat Sand im Getriebe“, sagt Turinsky: „Ich war mir nicht sicher, wie sich das verträgt mit der Regelmäßigkeit einer pulsierenden Maschine.“

Uhlich hingegen schätzt Techno, „weil er sehr offen ist, keine Lyrics, keine Strophen und Refrains hat – es ist ein weiter See aus Sounds“. Turinskys Bedenken waren schnell ausgeräumt, und er empfand die Arbeit als „sehr spannende Erweiterung meiner Bewegungspraxis“. Auch die Choreografin hat für sich Neues erforscht: „Am Anfang war es für mich eine ungewohnte Erfahrung, in einem Rollstuhl zu sitzen“, sagt sie – und nahm das Gerät als „eine Art Tanzpartner“ auf: „Jede Maschine ist für mich eine Erweiterung, sie ermöglicht mir Dinge, die ich als Choreografin recherchiere.“ Geworden ist daraus u. a. ein Solo im E-„Rolli“ und ein so selbstverständlicher Umgang, dass sich Uhlich für das Interview kurzerhand in einen Rollstuhl setzt. Dass sie jetzt so locker damit umgeht, liegt auch an einem Workshop für Rollstuhlfahrer, den sie zuletzt geleitet hat – eine „einschneidende“ und schöne Erfahrung, wie sie sagt. Die Normalität im Umgang ist ihr wichtig: „Oft schaut man erst auf den Rollstuhl, dann auf den Menschen – ich schaue zuerst auf den Menschen.“ Daher sei „Ravemachine“ auch „kein Stück über Behinderung, sondern wir haben immer über Energie geredet“ – und Turinsky ist für sie auch „in erster Linie der Michael“ und dann auch ein Mensch, „der einen speziellen Körper hat“.

„Dem Fleisch Freude bereiten“

„Energetic icons“ nennt Uhlich die „Energietanzschritte“, die sie auch mit den Teilnehmern des Workshops erarbeitet hat: „Es geht darum, Bewegungsmuster zu finden, die deinem Fleisch Freude bereiten – und die dich in gewisser Weise aufladen, auch emotional.“ Diese Icons müsse jeder in sich selbst finden, die könne man niemandem vorgeben. Und dann tanzt nicht nur der Mensch, sondern auch die Energie. Typisch Uhlich!

„Ravemachine“: 20., 21., 24. 10. (20 Uhr) im Brut und am 22. 10 im WUK mit anschließender Raveparty.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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