Frohsinn im Fünfzigerjahre-Idyll

FOTOPROBE: ´WINTER WONDERETTES´
FOTOPROBE: ´WINTER WONDERETTES´(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Weihnachten vorfeiern mit vier charmanten Damen und einer flotten Herrenband: Werner Sobotka sorgte bei „Winter Wonderettes“ für perfekte Einstudierung.

Weihnachten ist für die Theater keine ganz leichte Zeit, Besucher verreisen oder wünschen sich leichte Kost. Ein Direktor kann nicht früh genug damit anfangen, sich für die Feiertage das passende Programm zu überlegen. Mit Werner Sobotka setzen die Wiener Kammerspiele auf ihren bewährten Showfabrikanten. „Winter Wonderettes“ von Roger Bean und Brian William Baker funktioniert tadellos.

Basis ist ein Betriebsfest im Haushaltswarengeschäft, das klingt bieder und ist es auch. Vier Frauen, die schon im College befreundet waren, haben eine Show für die Feier vorbereitet. In Amerika, wo Theater oft Teil der Ausbildung ist, sind solche Laienveranstaltungen sehr beliebt, und sie haben mitunter ein recht hohes Niveau. Von Laienhaftigkeit kann in den Kammerspielen allerdings nicht die Rede sein. Sobotka hat das Tempo auf atemberaubendes Niveau hochgedreht. Vielleicht war das der Grund dafür, dass die Mädels und Burschen (der Band) am Donnerstagabend bei der Premiere die lautstark geforderte Zugabe verweigerten.

Grandios: Ana Milva Gomes

Trotz Strahlen und temperamentvollen Spiels dürfte die Show für die Beteiligten recht strapaziös sein. Die Bühne zelebriert den amerikanischen Traum mit Geschenkbergen, Kamin mit Kunstfeuerchen und den davor aufgehängten Strümpfen für Santa Claus. Jede Lady hat gleich mehrere große Auftritte: Die scharfzüngige Cindy Lou (Susa Mayer) träumt von „Christmas Clichés“, also allen Konventionen, die zu Weihnachten gehören, Cindys Kindheit war trotz Shirley-Temple-Puppe nicht glücklich. Suzy (Ruth Brauer-Kvam) verheddert sich in ihrem Schneeflockenkostüm, die Mutter von Zwillingen, die bereits das nächste Baby erwartet, bricht leicht in Tränen aus und ist eigentlich selbst noch ein Kind. Wie immer grandios: Ana Milva Gomes als Betty Jean. Verlassen vom Boyfriend, gekündigt von der Firma, kippt sie ein paar Bierchen, aber selbst dann noch dominiert sie die Szene. Missy (Salka Weber), jung verheiratet, schickt sich und ihre Freundinnen auf eine musikalische Weltreise. Und sie hofft, dass bei ihren voraussichtlich hocherotischen Weihnachten mit ihrem Angetrauten – das schwarze Baby-Doll-Kleidchen hat sie bereits gekauft – lustvoll Nachwuchs gezeugt wird. Es ist ein Fünfzigerjahre-Idyll, das hier ausgebreitet wird mit Pettycoats in Knallrot, Knallgelb und Knallgrün und Taftfrisuren im Bob- oder Rockabilly-Stil.

In diesem schreiend bunten Ambiente versteckt sich immerhin eine zarte Satire. So idyllisch war die Welt damals gar nicht, speziell nicht im Privaten mit seinen einzementierten Geschlechterrollen, vom Rassismus ganz zu schweigen. Tate Taylors hervorragendes Sozialpanorama „The Help“ zeichnet die Realitäten zwischen Schwarzen und Weißen in dieser Zeit erschreckend und sehr genau nach. Aber zu Weihnachten möchte man das alles gern vergessen.

Diese hübsche Musical-Comedy wird jedenfalls viele erfreuen. Kein bekanntes und kein unbekanntes Weihnachtslied fehlt. Im Programmheft ist ein Text über eine echte Firmenweihnachtsfeier abgedruckt, die an Klüften zwischen Nationen, Rauchern und Nichtrauchern, Vegetariern und Fleischessern, Schwangeren und Nichtschwangeren usw. scheitert – böse und sehr lustig! Daraus hätte man eine Comedy machen können, aber mit den „Winter Wonderettes“ ist man auf der sicheren Seite. Am Schluss dürfen noch ein paar Zuschauer auf die Bühne. Es fehlt hier nicht an liebenswertem Allotria.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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