Dieser eitle, traurige – tolle Beruf

Regisseur Martin Gruber und sein Aktionstheater Ensemble verzaubern nun auch in Wien. „Immersion. Wir verschwinden“ im Werk X Eldorado ist durchwegs gelungen.

Ein wahres Kunststück ist am Petersplatz vom Aktionstheater Ensemble zu sehen. Das Schaugeschäft wird gewitzt entzaubert und sogleich wieder verzaubert – in das einzig Wahre, Gute und Schöne. Die Truppe mit ihren Wurzeln in Vorarlberg, die 2016 erneut einen Nestroy-Preis erhielt, für „Kein Stück über Syrien“, überzeugt auch mit ihrem jüngsten, rund 70 Minuten langen Kammerspiel „Immersion. Wir verschwinden“ in jeder Hinsicht. Vor zwei Wochen war dieses von Martin Gruber (Regie) und Claudia Tondl verfasste Drama in Salzburg uraufgeführt worden, am Donnerstag gab es beim Kooperationspartner Werk X in dessen Dependance Eldorado die Wiener Premiere. Der flotte Abend wurde stark bejubelt.

Drei Schauspieler, von der geheimnisvollen Sängerin Sonja Romei und Keyboarder Kristian Musser begleitet, erzählen von ihrem Arbeitsleid. Vom Scheitern. Da ist die Michaela (Michaela Bilgeri), die an die Rampe stürmt und dem Publikum aufgebracht, ja hasserfüllt mitteilt, dass eine völlig unbegabte Schauspielerin eine Rolle im sexistischen Werbespot der oststeirischen Bezirksstadt Feldbach bekommen habe. „Föbach!“, wird sie in ihrem sprudelnden Monolog mehrfach von zwei Herren korrigiert, die ebenfalls eine dramatische Generalbeichte ablegen.

Ein Dichter unter Multimillionären

Da ist der Ex-Ossi Andreas (Andreas Jähnert), der umständlich erzählt, wie er bei einer Promi-Hochzeit in den Alpen, die vor allem von schwerreichen Deutschen heimgesucht wurde, ein eigenes Gedicht vortragen durfte. Aber in den Gazetten war danach nicht davon die Rede, sondern nur von der Seitenblicke-Gesellschaft. Dabei könnte der Andi aus der armen Subkultur doch auch ein wenig Publicity gebrauchen. Und der Martin (Martin Hemmer) hätte auch ein wenig Erfolg bitter nötig. Er erzählt mit glänzenden Augen von einem Dreh im Himalaja, in Nepal am Fuße des Mount Everest, zu dem er wahrscheinlich nur deshalb gekommen war, weil man ihn für einen Australier hielt. Bald stellt sich heraus, dass er ein kaum nötiger Statist bei diesem Abenteuer ist – wenn die Geschichte denn überhaupt stimmt.

Auch aus Martin bricht es schließlich heraus, er heult haltlos über die Missachtung. Was für eine unerträgliche Beschwerde ist dieser Beruf, und wie sensibel sind die alle! Michaela rastet aus, weil sie an einer Tanke um 65 Cent einen Eislutscher gekauft hat, der von Gefrierbrand befallen war. Dieses „Jolly“-Eis wird für sie zum Anlass einer Generalabrechnung. „Eisbrand!!“, japst sie, als ob Lebensgefahr bestünde. Bilgeri ist eine Wucht. Ihr Furor wird prächtig ergänzt durch Wehleid des Pseudo-Bergsteigers und stilles Dulden des übersehenen Dichters, der aber auch, wenn es um die Kritik an den anderen geht, zu gemeinsten Sticheleien fähig ist.

Man sieht einen prekären Jahrmarkt der Eitelkeit, der ein wenig wehtut, aber nicht allzu lang, dafür ist diese Aufführung viel zu spritzig und wortgewandt. Die eigene Situation wird gnadenlos aufgedeckt, der Nestroy-Preis und das Fehlen eines Ensemblemitglieds (Susanne Brandt) werden umstandslos mit eingebaut. Und die Lieder! Im Hintergrund versucht die Sängerin mit Tanzbewegungen stets auf sich aufmerksam zu machen. Wenn sie dann singt, stimmen die anderen mit ein – im Finale in einen Song von Whitney Houston. Feinste Trauerarbeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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