Landestheater Niederösterreich: Affären unterm Christbaum

Schöne Bescherungen
Schöne Bescherungen(c) Alexi Pelekanos
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Sarantos Zervoulakos inszeniert Alan Ayckbourns „Schöne Bescherungen“ flott und ungeniert als Farce.

Der christliche Brauch besagt, dass zu Weihnachten in Bethlehem der Erlöser geboren wurde, vor nunmehr mindestens 2016 Jahren. Davon aber ist in Alan Ayckbourns böser Komödie „Season's Greetings“ aus dem Jahr 1980, die eine familiäre Zusammenkunft unserer Tage gnadenlos vom Weihnachstabend bis zum Morgen nach dem Stefanitag zur Schau stellt, kaum etwas zu spüren. Der britische Dramatiker (*1939) bietet in zwei Akten den Schrecken der Vorstadt in modernen Zeiten.

Im Landestheater Niederösterreich in St.Pölten hatte „Schöne Bescherungen“ (deutsch von Max Faber) am Mittwoch Premiere. Sarantos Zervoulakos inszeniert diese Farce voller Beziehungskrisen und enttäuschten Erwartungen in zweieinhalb Stunden recht schwungvoll, das junge Ensemble setzt die Pointen gekonnt. Besonders hervorzuheben ist Franz Xaver Zach, der kurzfristig wegen Erkrankung eines Kollegen eingesprungen ist und den irren Onkel Harvey spielt, einen pensionierten Wachmann, der vor der Glotze sitzt und brutale Filme schaut. Seine eigene Aggression kann er hinter etwas Gemütlichkeit kaum verbergen. Zach fügt sich bestens ein, bis auf ein paar anfängliche Unsicherheiten gilt das für das ganze Ensemble. Menschliche Schwächen ungeniert zu übertreiben macht allen großen Spaß.

Harvey ist wie jedes Jahr zu Gast bei Neffe Neville (Lukas Spisser). Dieser interessiert sich mehr fürs Basteln als für seine Frau, Belinda (Bettina Kerl), die aufreizend auf der Leiter vor dem Christbaum turnt, ihn schmückt. Dieser Baum mit seinen technischen Finessen ist das Zentrum der von Christian Kiehl gestalteten Bühne. In Eddie (Tim Breyvogel), dessen Frau, Pattie (Zeynep Bozbay), zum vierten Mal schwanger ist, hat Neville einen gleichgesinnten, wenn auch erfolglosen Gesinnungsgenossen. Vor ihren Frauen flüchten sie verlässlich, wenn sie sie in die Pflicht nehmen.

„Die drei kleinen Schweinchen“

Das skurrilste Ehepaar aber sind Nevilles Schwester Phyllis und ihr Mann, Bernard: Jaschka Lämmert spielt eine frustrierte Gattin im Dauerrausch, ihre Kochkünste sind gefürchtet. Sie hat vielleicht allen Grund zur Weltflucht. Ihr Mann (Michael Scherff) ist Pazifist, ein schlechter Arzt, ein noch schlechterer Puppenspieler. Wenn er auf dem Höhepunkt des Spiels „Die drei kleinen Schweinchen“ in 16Szenen probt, ist es bestes schlechtes Theater – ein Horror für die Erwachsenen. Die zusehenden Kinder sieht man nicht, die muss man sich im Off oder im Publikum vorstellen. „Schöne Bescherungen“ ist eben ein Stück für Erwachsene, die sich mit wohligem Schauer an all ihre erlittenen Frustrationen erinnern. Hier werden sie ausgelebt.

Sie kulminieren in der Jagd nach einem Abenteuer: Belindas verklemmte Schwester Rachel (Eva Maria Sommersberg) hat den skurrilen Schriftsteller Clive (Tobias Artner) mitgebracht, den sei unlängst kennengelernt hat. Sie leben sogleich ihre erste Krise aus. Sie wird dadurch befeuert, dass die anderen Damen den jungen Herrn zu ihrem obskuren Objekt der Begierde machen wollen.

Sex unterm Weihnachtsbaum? Einen Versuch ist es hier fast jeder wert, aber in Komödien zählt die Absicht, selten der Vollzug. Deshalb kann man nach dieser Weihnachtsfeier sagen: Gerade noch einmal gut gegangen. Bei solch einem schießwütigen Onkel und einem gnadenlos faden Puppenspieler wirkt das wie ein Wunder.

Nächste Termine: In St. Pölten 16. und 22.12. (19.30h) , 31.12. (16, 20h), als Gastspiel an der Bühne Baden am 20. und 21.12.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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