Akademietheater: König Ludwig II. darf glänzen

FOTOPROBE 'LUDWIG II.'
FOTOPROBE 'LUDWIG II.'APA/GEORG HOCHMUTH
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Bastian Kraft hat den Monumentalfilm von Luchino Visconti reduziert und dennoch komplex auf die Bühne gebracht. Fantastisch in der Titelrolle: Markus Meyer.

Es könnte eine Anmaßung sein: Regisseur Bastian Kraft (*1980) hat „Ludwig II.“, dem Film des italienischen Großmeisters Luchino Visconti, eine dramatische Form gegeben. Das Vorbild von 1973, ein monumentales Werk über die Dekadenz des Bayernkönigs, das damals unglaubliche zwölf Millionen D-Mark kostete, ist in der vom Filmregisseur gewünschten Fassung mehr als vier Stunden lang. Ins Kino kam nur eine arg gekürzte Version, und die war ein Skandal, weil das offizielle Bayern nicht den intimen König und sein geheimes Sex-Leben sehen wollte, einen eitlen, feschen, naiven Monarchen, der Schlösser auf Pump baute, Richard Wagner ebenso maßlos förderte und dabei zusah, wie sein Land dem neuen deutschen Kaiserreich der Preußen unterworfen wurde. Schließlich verfiel er dem Wahnsinn.

Gut drei Dutzend Stars spielten bei Viscontis opulentem Verfall mit. Helmut Berger war der schönste König, Romy Schneider seine Cousine. Ihre Interpretation der frustrierten Kaiserin Elisabeth unterschied sich drastisch von der Süße der „Sissi“-Filme der Fünfzigerjahre. Trevor Howard spielte Wagner derart gemein, dass man den so genialen wie bösen Größenwahnsinnigen hassen musste.

Kann es gut gehen, wenn man eine Bühnenversion schafft, die in nicht einmal zwei Stunden mit nur drei Schauspielern sowie exzessiven Video-Spielereien Visconti nach Wien zitiert? Es ist gut gegangen, wie die bejubelte Premiere im Akademietheater am Samstag bewies, vor allem deshalb, weil der König von Markus Meyer exzellent gespielt wurde, umgeben von einer perfekten Technik und zwei Mitspielern, die ihm selbstlos mit Understatement assistierten. Nur Ludwig darf glänzen, darf auf das Podest. Gerade deshalb bleibt er in diesem Spiel mit all seinen Reflexionsebenen, all der Oberflächlichkeit ein Geheimnis. Wenn er am Ende entblößt eine lebensgroße, weiße Ludwig-Statue umarmt, besteigt, ihr den anfangs weißen, inzwischen befleckten Mantel umhängt, um dann im See (einem winzigen Becken) unterzugehen, so ist das trotz aller Überladung mit Symbolen ein eindrucksvoller Schluss, der einem buchstäblich den Atem raubt.

Richard Wagner ist ein blasierter Geck

Zuvor aber wird gezaubert, in Schwarzweiß. Die Bühne ist anfangs eine dunkle Kammer: Peter Baur hat über sie quer hinauf und flächendeckend einen Spiegel gehängt. Mit etwas Fantasie ist diese Box das Innere einer gigantischen Spiegelreflex-Kamera. Tatsächlich schwingt der Spiegel später herunter, die drei Schauspieler rücken näher, sie agieren nun manchmal sogar vom Parkett aus. Zuvor macht sie der Spiegel klein, man sieht sie gedoppelt, oben und unten, die Majestäten in ihren prächtigen weißen Mänteln mit langen Schleppen. Johann Adam Oest spielt Richard Wagner als einen blasierten Gecken, der sich vom König ein Opernhaus und viel Geld wünscht, Regina Fritsch eine verhärmte Kaiserin Elisabeth, die auch zur Verstellung und Intrige fähig ist. Beide müssen einmal kurz aus der Rolle fallen, denn Viscontis Dreh wird auch thematisiert, mit Oest als italienischem Giganten des Kinos, Fritsch als Romy Schneider und Meyer als Helmut Berger.

Das Wunder der Verwandlung aber vollbringt Meyer. Von ihm werden Videos (Jonas Link) eingespielt, die ihn in einem Dutzend Rollen zeigen. Kostümbildnerin Dagmar Bald hat ihn in den Beichtvater, die Mutter, die Gespielen, Minister, Berater, die ungeliebte Ehefrau, sogar in den Schauspieler Josef Kainz verwandelt. Mit ihnen treten die leibhaftigen Schauspieler in einen raffinierten Dialog. Der Körper dieses Königs muss alles sein, er wird zur Abbildung für eine ganze Epoche, von der Krönung 1864 als blutjunger Mann bis zum Untergang 1886. Dieser Spiegel ist die fünfte Wand, in die alle eintauchen. Die Darsteller hier, die selbst zuweilen mit Licht und kleineren Spiegeln spielen, beherrschen eine hohe Kunst: Man merkt es kaum, dass sie in rigidem Rahmen auf vorgefertigte Passagen reagieren.

Die Krönung: Meyer schafft großes Kino. Als König ist er dominant. Wenn er irre Pläne schmiedet, beschmutzt er sich und die beiden anderen mit schwarzer Tinte. Auf der Leinwand aber gibt er jeder seiner Figuren individuelle Züge. Am Ende sieht man ihn in Großaufnahme seriell beim Abschminken. Die Höflinge, Verwandten und Diener – alles nur Fassade. Unter all den Masken war ein blasser, scheuer, unglücklicher Mensch verborgen. Gleich wird er für immer abtauchen.

Termine: 22., 26. Dezember, 7., 14., 22. Jänner, 1. Februar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2016)

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