„Kaspar Hauser“ als Steinzeittheater im Schauspielhaus Wien

Die Uraufführung von Lisa Lie ergeht sich in provokanter Selbstgefälligkeit.

Ein fahler, gebogener Baumstamm aus Pappe dominiert die Bühne des Wiener Schauspielhauses, seine Wurzeln bilden ein Höhle. Eine Vermummte (Vassilissa Reznikoff) durchquert mit einem Bündel langsam den Raum, besteigt den Stamm. Das ist bereits der Höhepunkt des Stücks „Kaspar Hauser oder die Ausgestoßenen könnten jeden Augenblick angreifen!“, das die Norwegerin Lisa Lie inszenierte.

Die Figur fängt zu sprechen an. Ihr 20 Minuten langer Monolog erweist sich als erstes Fiasko – absurder Text, schwammig artikuliert. Sie könnte die Mutter jenes 16-jährigen Kaspar Hauser sein, der 1828 in Nürnberg auftauchte und behauptete, in einem Verlies gefangen gehalten worden zu sein, seit er denken konnte. Doch der Monolog ist zu verworren für Gewissheit. Im Programmheft steht, dass Lie an sich Peter Handkes „Kaspar“ aufführen wollte. Doch der gab keine Erlaubnis dafür. Wer mag es ihm verdenken? 100 Minuten fades Steinzeittheater bei der Premiere am Mittwoch.

Nächste Szene: Fellbedeckte Urmenschen (Kenneth Homstad, Jesse Inman, Gabriel Zschache und Reznikoff) benehmen sich affig. Einer bemüht sich, in Plastik verschweißte Gurken heranzuschleppen. Immer wieder fallen sie ihm runter. Minutenlang. Dann verspeist sie das Quartett umständlich, fängt zu kopulieren an. Erste Sprechversuche der Urzeit, man reißt sich die Felle vom Leib, tanzt in Trikots, wackelt mit dem Hintern, tritt Konkurrenten, spielt mit Farbe, erfindet die Töpferei. Tee wird gereicht, eine Herrin quält Knechte. Gequatsche. Die Aktionen erschöpfen sich bald. Erbarmen! Am Schluss noch ein Monolog der Mutter. So überflüssig wie am Anfang. (norb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2017)

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