Im Rausch der Weisheit

Das Rauschen der Flügel
Das Rauschen der Flügel(c) Odeon Theater
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Das Serapions-Ensemble erzählt in „Das Rauschen der Flügel“ von der Suche nach Erkenntnis – und schafft ein betörendes Gesamtkunstwerk aus Bild und Klang.

Die Liebe ist die Lösung, das ist die etwas kitschige Moral so mancher Geschichte – und auch das Wiener Serapions-Ensemble kam bei seiner Recherche über den aktuellen Zustand unserer Gesellschaft, über die ideologischen Konflikte und den Mangel an Empathie, Toleranz und Zusammenhalt auf die Liebe als Antwort auf die Krisen der Menschheit. Doch so einfach ist das nicht, Liebe allein reicht nicht, man müsste sie erst befreien von allem Begehren und Verlangen, von Besitzansprüchen und Machttrieben. Diese „gebende Liebe“ sei erlernbar, meint das Ensemble von Erwin Piplits und widmet sich in seiner Trilogie „Fidèles d'Amour“ nun also der Herzensbildung. Der erste Teil, „Das Rauschen der Flügel“, der die Suche eines jungen Mannes nach Weisheit und Erkenntnis beschreibt, hatte am Donnerstag seine vom Publikum lang bejubelte Premiere.

Auf die Suche nach Weisheit machte sich dafür auch das Ensemble selbst: Es arbeitete sich durch Werke der Poesie und Philosophie und landete schließlich beim persischen Dichter und Begründer der Illuminationsphilosophie, Suhrawardi. Aus seinen Erzählungen spann es die lose Handlung des Abends, die eine moderne Situation mit alten Mythen verbindet: Ein junger Mann betritt ein Kaffeehaus, wo seine Freundin auf ihn wartet – entnervt, denn er ist zu spät dran und steckt in die Beziehung nicht die von ihr erwartete Hingabe und Verbindlichkeit. Die Begegnung, die ein Musterdialog der als bindungsunfähig verschrienen GenerationY sein könnte, währt nicht lang. Der Mann bricht aus der Situation aus und folgt einem Wesen, das sich als „dein Gemüt“ vorstellt, in ein Reich rätselhafter Weiten, die sich wie im Traum vor dem Zuschauer aufbauen: Wallende Seidentücher bilden eine stürmische Sandwüste, immer wieder tut sich im Hintergrund der Kosmos auf. Hier soll der junge Mann der Weisheit näherkommen und dabei die reine Liebe lernen.

Parsifal und islamische Mystik

Die Geschichte tritt fortan in den Hintergrund, den seelischen Zustand des Mannes beschreiben Tänze, Lieder und Texte – von Gilgamesch bis Goethe, von der griechischen Antike bis zu islamischer Mystik – denn auch das will das Serapions-Ensemble zeigen: dass die Kulturen von Ost und West gar nicht so unterschiedlich sind, dass in beiden eine Schönheit liegt und das Streben nach Wahrheit beiden gemein ist. „Ich möchte das Seiende begreifen“, wird aus dem „Corpus Hermeticum“ zitiert, und als darauf übersinnliche Erfahrungen folgen, lässt man Gurnemanz aus Wagners „Parsifal“ sprechen: „Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit.“

All das fügt sich wunderbar zusammen: das märchenhafte Bühnenbild, die Texte und Töne, die nahtlos ineinander übergehen, die fließende Choreografie, die einmal an Derwische, einmal an fernöstliche Kampfkunst erinnert und auch komische Elemente in die Inszenierung einbringt. Wegsehen ist unmöglich: Jede Ansicht hier ist von betörender Schönheit. Was für den jungen Mann, der staunend durch dieses wundersame Universum schreitet, eine lehrreiche Reise ist, gestaltet sich für den Zuschauer wie ein Rausch aus Bildern und Klängen. Wenn Erkenntnis immer so zauberhaft wäre!

„Das Rauschen der Flügel“. Zahlreiche Termine bis 11. März, Odeon-Theater, Taborstraße 10.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2017)

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