Burgtheater Vestibül: „Drei sind wir“, doch nur für ein einziges Jahr

Trauerarbeit, von Tino Hillebrand, Marcus Kiepe und Marie-Luise Stockinger exzellent gespielt.
Trauerarbeit, von Tino Hillebrand, Marcus Kiepe und Marie-Luise Stockinger exzellent gespielt.(c) Georg Soulek
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Die österreichische Erstaufführung des preisgekrönten Stückes von Wolfram Höll über ein sterbendes Kind wird von Valerie Voigt-Firon stimmig inszeniert, von drei Darstellern gekonnt umgesetzt.

Ein Kind wird geboren, doch höchstens ein Jahr Leben sei ihm geschenkt, sagt der Arzt den schockierten Eltern. Seine Diagnose: Trisomie (ein Chromosom oder ein Teil davon liegt bei dem Baby dreifach statt zweifach vor). Die Eltern beschließen, nach Kanada auszuwandern, dieses eine Jahr ganz dem Kind zu widmen. Das ist die Ausgangssituation für Wolfram Hölls so bedrückendes wie beeindruckendes Stück, für das er im Vorjahr erneut den Mülheimer Dramatikerpreis gewonnen hat. Am Schauspiel Leipzig wurde „Drei sind wir“ vor einem Jahr uraufgeführt. Am Sonntag gab es am Burgtheater im Vestibül die österreichische Erstaufführung. Valerie Voigt-Firon hat eine im Vergleich straffe, einstündige Inszenierung geschaffen, sensibel, stimmig, von einem hervorragenden Trio gespielt.

Vier Jahreszeiten in der Fremde

Marie-Luise Stockinger, Tino Hillebrand und Marcus Kiepe sind souverän bei der Umsetzung dieses schwierigen, vielschichtigen, anspielungsreichen Textes, bei dem die Rollen nicht eindeutig zugeordnet sind. Neben den Eltern kommen auch Verwandte und ein freundlicher, französisch sprechender Helfer in der Fremde vor. Die Inszenierung legt großen Wert auf das Wort, man hält sich mit Aktionen klug zurück. Eylien König hat das Bühnenbild auf eine Wand reduziert, hinter der die Eltern die Diagnose erfahren. Verschiebbare Öffnungen in der Wand, die später auch als Projektionsfläche für bewegliche Bilder dient, geben anfangs nur beschränkte Blicke auf die Schauspieler frei. Vorn auf der Bühne: drei Masken und ein großes Schwungrad auf dem Boden. Maskiert wird hier über das Ende gesprochen, mit dem Rad dreht sich die Zeit. Und ein Video verdeutlicht all das Vergängliche: Pacman rast hinten über die Fläche, frisst Rechtecke auf. Frühling, Sommer, Herbst und Winter vergehen, bis zum bitteren Schluss. Da werden dann Dutzende Zinkeimer aufgestellt, Schläuche für Ahornsirup in Bäume getrieben. Oder sind es doch Kanülen für ein sterbendes Kind? Das Ende, nach einer Zeit der Annäherungen, der Skrupel und versuchten Fluchten (die Alten machen eine Rundreise, die Eltern einen spontanen Ausflug), ist nicht süß. Der Winter ist aus. Das Haus, dessen Scheiben am Anfang schmutzig waren, ist sauber geputzt, vorn steht ein Schild mit weißer Schrift: „Zu vermieten.“

„Jeden Tag wird er ein wenig weniger“

Vorgetragen wird ohne Pathos, lakonisch, rhythmisch durchkomponiert, in Soli, Duetten, Terzetten, die eine Fülle an Wortspielen variieren, ausgelöst durch kleine Szenen, etwa beim Einkaufen mit dem Kind, beim Fischen mit dem verrückten Onkel, im Gespräch mit der resoluten Urgroßmutter, die schwache Erinnerungen an eine ferne Amerikareise ihres Mannes wachruft. Auch die Erinnerung an das Kind droht zu verblassen: „Jeden Tag wird er ein wenig weniger, jeden Tag ist er derselbe und doch ein anderer.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2017)

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