Seht doch her, ich bin's, Kafkas Affe!

Im Hamakom brilliert Michael Gruner mit Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ und Becketts „Das letzte Band“. Und genau diese Brillanz ist das Problem.

Klar: Die Akademie, das sind wir selbst. Der Affe, der in seiner Quasi-Menschwerdung den einzigen Ausweg aus Gefangenschaft und Qual sah, berichtet uns: Im Theater Nestroyhof sieht sich das Publikum in einem riesigen Spiegel, davor sitzt Michael Gruner mit dem Rücken zu ihm im Lehnstuhl und erzählt – etliche Minuten lang hören wir nur seine Stimme. Wie sie schmeichelt. Wie sie singt. Wie sie steigt und sich senkt, leiser und dann wieder lauter wird. Er geckert und lacht und summt. Eine Stimme als Instrument. Dann erst dreht er sich zu uns um . . .

Jeder Schauspieler, jeder Regisseur, der Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ auf die Bühne bringt, setzt sich der Gefahr aus, auf schauspielerische Manierismen zu setzen: Wie viel Mensch darfs denn sein? Und wie viel Affe? Wie sehr drängt sich das Spiel mit dem Äffischen in den Vordergrund? Fast gar nicht, dankenswerterweise. Frédéric Lion, der Regisseur, und Michael Gruner haben all das hübsch auf Andeutungen reduziert, hier ein schnelles Kratzen, da ein rascher Griff nach einem Floh, das war es auch schon. Dafür kippen sie leider in ganz andere Manierismen: Gruner, Regisseur und Intendant, immer wieder auch Schauspieler, macht mit dem Körper, was wir schon seiner Stimme angehört haben: Er zeigt, wie gut er damit umgehen kann. Das ist stupend. Und lenkt nur ab.

Der Körper hat uns wieder ganz

Nach der Pause dann Becketts „Das letzte Band“, das hier wie eine Fortsetzung von Kafkas „Bericht für eine Akademie“ erscheint: Am Ende hat der Körper uns wieder ganz: Der Stolz, wenn der Sex noch einmal klappt, die Sorge um den Stuhlgang, der nahe Tod, der uns dann endgültig all dessen berauben wird, was Kafkas gepeinigter Affe sich so angeeignet hat über die Jahre. Eine schöne Klammer wäre das, doch leider ist Gruner auch bei Beckett vor allem brillant: Wenn der Alte die Bänder holt – dann sehen wir einem Schauspieler dabei zu, wie er zeigt, wie ein Alter die Bänder holt. Da wird jede Bewegung ausgekostet. Und wenn er eine Banane isst, dann macht er daraus ein kleines Bravour-Stück. Das berührt nicht. Das irritiert nicht. Zwei Texte zum Lachen und Weinen und Nachdenken – die einen kalt lassen.

Theater Nestroyhof Hamakom: 16. bis 18. März und 22. bis 25. März, 20 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2017)

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