Listig-lustige „Verwandlungen“

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Aggregat Valudskis ergötzt mit der spielerischen Darstellung von Prosa im Hörsaal der Akademie der bildenden Künste.

Die Geschichten sind absurd und skurril, der Raum – eine Art Amphitheater in Miniatur, mit einem Rund an Holzbänken, einem Podium vorne, dazwischen einem Seziertisch – ist intim. Das war die ideale Voraussetzung für die gelungene Premiere von „Verwandlungen oder ungern als Mensch“ durch das Theaterkollektiv Aggregat Valudskis am Montag im Hörsaal der Akademie der bildenden Künste. Der litauische Regisseur Arturas Valudskis hat es verstanden, in Julia Schranz, Martina Spitzer und Martin Bermoser ungeheuren Spieltrieb zu wecken.

Mit Musikalität, listig imitiertem Ernst und vor allem exaktem Timing paraphrasieren sie in einem Dutzend (durch kurzes Abblenden unterbrochenen) Szenen die Erzählungen „Die Verwandlung“ von Franz Kafka sowie „William und Mary“ von Roald Dahl und Episoden aus Marie Darrieussecqs prallem Roman „Schweinerei“. Als Beigabe wird mehrfach Ernst Jandls köstliches Gedicht „zweierlei handzeichen“ zitiert, allerdings auf den Kopf gestellt. Jeder hier weiß offenbar, wie man sich „bezwetschkigt“.

Wahrscheinlich sind noch viele weitere literarische Anspielungen in diese 80 Minuten lange Aufführung verpackt, aber die muss man nicht kennen, denn wer diesen fahl geschminkten Schauspielern, die alle ein wenig an Stummfilm-Star Buster Keaton erinnern, auch nur kurze Zeit zusieht, versteht auch so: Es ist eine verrückte Welt, in der sich Menschen vom Räuspern übers Grunzen bis zum Heulen in Schweine-Hunde verwandeln, in der ein Söhnchen hilflos auf einem umgestürzten Sessel liegt wie ein schwer verletzter Käfer, die Beine Halt suchend auf den Tisch gestemmt, aber sein Appell an die Verwandtschaft bleibt unerhört. „Mama, können wir darüber reden?“, fragt der Bub. Natürlich nicht. Erst wird gestorben. Und das passiert mehrfach. Ein Zucken, ein Augenrollen, ein Spiel mit den Fingern, die agieren wie rastlose Vogelspinnen, und schon sind sie alle wieder ex oder bloß hopp hinter dem Podium oder einem Tischtuch verschwunden, ehe sie sich für die nächste Episode hochschrauben.

„Legen Sie Ihren Oberkörper ab!“

Schranz zelebriert häufig naives Schauen, ein wenig scheint der Schalk durch, wenn sich ihre Mimik blitzartig in leichte bis helle Empörung wandelt. Bermoser glänzt sowohl als Opfer (ein Käfer, ein Geköpfter gar) wie auch als Täter, etwa als Dreijähriger, der rasch Präsident werden will. Man möchte sich auch nicht von einem Typen therapieren lassen, der befiehlt: „Und jetzt legen Sie den Oberkörper auf der Tischplatte ab“. Spitzer zeigt höchste Meisterschaft, wenn es um die Erzeugung ungewöhnlicher, ja derber Geräusche geht. Sie ist eine Virtuosin des Gesichtszuckens. Alle drei wirken im Ausleben der Marotten harmonisch zusammen. Starker Applaus für ein raffiniert inszeniertes Kammerspiel mit ausgefuchstem Ensemble.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2017)

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