Baden braucht jüngeres Publikum

Schöne Weisen. Operettenspezialist Michael Lakner regiert jetzt in Baden.
Schöne Weisen. Operettenspezialist Michael Lakner regiert jetzt in Baden.Christine Ebenthal
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Michael Lakner, neuer Intendant in der noblen Kurstadt, will beweisen, dass die Operette ewig lebt.

Er ist Jurist, Pianist, Schauspieler, Regisseur und zuletzt hat der 1959 geborene Wiener Michael Lakner das Lehár-Festival in Bad Ischl kräftig aufpoliert. Wasser ist nicht nur im Salzkammergut wichtig, sondern auch in der Kurstadt Baden, wo Lakner das beliebte Stadttheater und damit auch die Sommerarena übernommen hat. Der Operettenspezialist will der Fantasie mehr Raum geben, alte Kostbarkeiten aber nicht um jeden Preis ins Jetzt verpflanzen, "was bei manchen Werken wie ,Bettelstudent' oder ,Zarewitsch' gar nicht geht". Auf jeden Fall will Lakner mehr Zuschauer aus Wien in den charmanten Süden locken.

Hat Baden ein anderes Publikum als Bad Ischl?

Michael Lakner: Ja! In Ischl setzt es sich zu 75 Prozent aus österreichischen und zu 25 Prozent aus ausländischen Operettenliebhabern zusammen. Der österreichische Anteil kommt zu vier Fünfteln aus dem Salzkammergut und Oberösterreich, was zeigt, dass die Oberösterreicher Ischl als Urlaubsdomizil begreifen. In Baden haben wir ein großstädtisches Publikum, bedingt durch die privilegierte Lage quasi im Vorhof von Wien. Hier kann man auf die Neugier und Entdeckungslust von Musiktheaterkennern zählen.

Wien näher zu rücken ist also ein Gewinn?

Allerdings. Nicht nur, was Vorstellungsbesuche in der Hauptstadt angeht. Auch Auditions und Castings oder Treffen mit Kulturschaffenden, Leading-Teams lassen sich bequemer arrangieren. Ein Vorteil von Baden ist aber auch die Heimeligkeit, das Flair des Kurortes, das einen Kontrapunkt zur ehemaligen Kaiserstadt bildet. Die Kornhäusel-Architektur liebe ich sehr und auch die Stadt.

Programmiert wird eine Badener Saison aber offenbar mit Blickrichtung Wien.

Nicht ausschließlich. Wir haben ein starkes, treues Abonnement-Publikum. Mir liegt aber auch daran, verstärkt Publikum aus Wien anzuziehen, ja wenn möglich langfristig zu binden sei es durch die Stückwahl, sei es durch prominente Besetzungen. Ich denke da an Oliver Baier, Georgi Makazaria, Caroline Vasicek, Evamaria Marhold, Gabriele Schuchter, Franz Suhrada, Christoph Wagner-Trenkwitz, Stephan Paryla-Raky, Jochen Schmeckenbecher und andere. Wir versuchen, in Jahresspielplänen zu denken, um dem Publikum die Chance zu geben, langfristig zu disponieren, Baden-Aufenthalte einzuplanen inklusive Besuch des Rosariums oder des Ball Imperial, der Badener Theatertage, des Beethoven-Festes...

Was wird noch anders in der Ära Lakner?

Musiktheater ist in Abwandlung einer Betrachtung von Robert Musil über die Welt in toto nie sprichwörtlich gemeint, sondern eine Analogie, eine Redewendung, derer wir uns bedienen. Das ist meine Überzeugung. Ergo ist mir wichtig, dass wir eine neue Bild- und Bühnensprache entwickeln, die zeitgemäß ist und die die nachhaltige Relevanz der Operette beweist, auch für ein jüngeres Publikum. Mitunter geht es also um einen unverstellten, neuen Blick auf alte Werke. Aber nur, wenn das legitim ist. Manche Werke lassen sich nicht ins Jetzt verpflanzen. Denken wir an den "Bettelstudenten", "Fatinitza" oder "Zarewitsch". Generell soll es aber wieder mehr Raum geben für Fantasie und Imagination durch Abstraktion, durch eine Reduktion auf den Kern. Der Kontrapunkt dazu sind opulente, prächtige Kostüme, die einen reizvollen Kontrast darstellen werden.

Wie wird denn der Spielplan aussehen?

Ein wichtiger Punkt ist, die richtige Mischung zu finden zwischen populäreren und unbekannteren Stücken. Der Spielplan soll ausgeweitet und noch farbenreicher werden. Auch die Spieloper wird ihren festen Platz im Programm haben. Im Ablauf der Stücke selbst ist es übrigens auch für die Zukunft des Genres Operette wichtig, dass Schauspiel, Gesang und Tanz sehr stark miteinander verzahnt sind. Diese Mischung macht meiner Meinung nach den Erfolg des Musicals aus, das ja nichts anderes ist als die amerikanische Weiterführung der Operette.

Wie sieht es international aus mit der Operette? Manchmal hat man ja den Eindruck, das Genre würde jenseits von Österreich entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder aber dort, wo es zur Kenntnis genommen wird, mehr geachtet als daheim.

Absolut. Sieht man sich an, was Dresden da in die neue Heimstätte der "Staatsoperette" investiert hat, ist das schon ein deutliches Signal. Chemnitz hat im Jänner dieses Jahres sogar eine Operette uraufgeführt, "Südseetulpen"! All das scheint im Ausland leichter als hierzulande. Ich würde auch in der Operettenmetropole Baden heutige Stoffe gern als Operetten herausbringen. Neben den Hauptwerken der Goldenen und Silbernen Ära möchte ich auch Randwerke, also vergessene Meisterwerke, zeigen. Wir spielen im Sommer Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" in der rekonstruierten Fassung von 1858. Das war ja die Geburtsstunde der Operette! Die letzte Vorstellung der Serie wird, auch das ist neu, live auf den Theaterplatz auf eine große Videowall übertragen. Dann haben wir den Leh r-Klassiker "Der Zarewitsch", in dem der Meister musikalisch seinen Hang zur Oper und zum Lyrischen voll ausgelebt hat das ist unser Beitrag zum Tourismus-Jahr 2017, das im Zeichen der österreichisch-russischen Beziehungen steht.

Und Jazz und Swing aus dem "Grand Hotel".

Samt Charleston. Da steckt alles drin, was in der modernen Unterhaltungsmusik gut und teuer ist. Der Jahresspielplan 2017/18 beinhaltet im Herbst deutsche romantische Oper, aber auch Trouvaillen wie Leo Falls Meisteroperette "Die Kaiserin", die wir 102 Jahre nach der Uraufführung mit Fritzi Massary punktgenau zum 300. Geburtstag Maria Theresias am 16. 12. ins Repertoire nehmen. Musikalisch interessante Revue-Operetten und große Broadway-Musicals runden den Spielplan bis Ende Sommer 2018 ab.

Welche Komponisten stehen denn 2017/18 im Mittelpunkt? Und welche Spielformen fallen uns Hiesigen leichter, welche schwerer?

Definitiv sind Oper und Operette in unserem Blut mehr verhaftet als die Gattung Musical. Diese beiden Disziplinen sind sozusagen Heimspiele für unsere künstlerischen Kräfte. Aber auch auf dem Gebiet des Musicals haben wir stark aufgeholt. Ich setze in meiner Arbeit für die Bühne Baden sehr stark auf die Zusammenarbeit mit der Privatuniversität Konservatorium Wien und der Performing Academy Wien, wo es hervorragende Talente zu entdecken gibt.

Tipp

Promis bitte! Ulrike Beimpold inszeniert Offenbachs
"Orpheus in der Unterwelt", Lakner selbst den "Zarewitsch", Sona MacDonald spielt im Broadway-Musical "Grand Hotel" (in der Regie von Werner Sobotka nach dem Roman von Vicki Baum). www.buehnebaden.at

("Kultur Magazin", Print-Ausgabe, 14.4.2017)

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