Tanz von Sehnsucht und Verführung

Rosas. De Keersmaeker/Sanchis zeigen ein Remake von "A Love Supreme".
Rosas. De Keersmaeker/Sanchis zeigen ein Remake von "A Love Supreme".Impulstanz (Martin Langer)
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Uraufführungen und Klassiker, junge Choreografinnen und immer wieder gern Gesehene umtanzen das Zentrum des ImPulsTanz-Festivals 2017: Jan Fabre.

"Le Bal" könnte ein schönes Motto für das ImPulsTanz-Festival in Wien sein. Doch es wird nicht nur getanzt, sondern auch ausgestellt, gearbeitet, trainiert, geforscht, unterrichtet. "Der Ball" ist einer der am hellsten leuchtenden Sterne am Festivalhimmel. Mathilde Monnier, Choreografin und Direktrice des Centre National de la Danse in Paris, und Alan Pauls laden dazu ein: Zwölf Tänzer und Tänzerinnen bewegen sich durch dreißig Jahre der Geschichte Frankreichs. Der Mund schweigt, der Körper spricht. Die Idee zu diesem Tanzstück ist allerdings viel älter. Der Komödiant und Theaterregisseur Jean-Claude Penchenat entwickelte den Abend, der in einem Raum tanzende Paare vereint, die einander in neun zeitverschobenen Szenen begegnen.

Die Art, wie die Historie (Frankreich von 1936 1983) anhand persönlicher Geschichten und Begegnungen erzählt wurde, faszinierte auch Ettore Scola. 1984 wurde sein Film "Le Bal" mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Monnier setzt da fort, wo Penchenat/Scola aufgehört haben, erzählt auf ihre Weise eine Geschichte ohne Worte in der Einheit des Ortes, aber keineswegs der Zeit. "Was macht die Geschichte mit dem Körper?", fragt die Choreografin, untersucht, wie die Energie oder deren Mangel jede Ära prägt. Es tanzen müde Körper ebenso wie hyperagile, athletische oder beschädigte. Monnier war 2013 zuletzt in Wien beim ImPulsTanz. Zeit für eine neue Begegnung.

"Kämpfer für die Schönheit"

Festival-Chef Karl Regensburger stellt diesmal aber einen ins Zentrum, der gar kein Choreograf sein möchte: Jan Fabre, der über Pinsel und Farbe auf die Bühne gelangt ist, möchte lieber als "Ritter der Verzweiflung und Kämpfer für die Schönheit" bewundert werden. Er zitiert damit den Titel der Ausstellung in der Eremitage von St. Petersburg. Bis 30. April können dort mehr als 200 Werke aus seinem reichen Ouvre betrachtet werden. Seit zwanzig Jahren ist der belgische Künstler Gast des ImPulsTanz-Festivals. Dafür beschenkt er das Wiener Publikum dieses Jahr mit einer Weltpremiere: "Belgian Rules/Belgium Rules", was so viel heißen könnte wie "Belgische Regeln/Belgien regiert", sich aber mit den nationalistischen Tendenzen in aller Welt befasst (18. Juli, Volkstheater). Präsent ist Fabre allerdings schon zwei Wochen vorher, wenn im Leopold-Museum die Sonderausstellung "Jan Fabre. Stigmata, Actions & Performances 1976 2013" eröffnet wird. Auch eine von ihm abgehaltene Master-Klasse steht auf dem Plan. Titel des Workshops: "From Act to Acting The Guiding Line for the Performer of the 21st Century". Das Angebot an Trainings und Workshops ist beim ImPulsTanz so geballt, dass die Entscheidung, welche Route eingeschlagen werden soll, schwerfallen wird.

Techno und John Coltrane

Was es noch gibt? Etwa den Flirt, den Salva Sanchis zwischen Tanz und Musik inszeniert. Discodesafinado (Senjan Jansen & Joris Vermeiren) liefern zu "Radical Light" den Minimal Techno, an dessen Takt sich die Tänzer und Tänzerinnen anschmiegen. Wie Sanchis lebt und arbeitet auch Anne Teresa De Keersmaeker in Brüssel. Natürlich haben die beiden auch schon zusammengearbeitet. Ein Beispiel dafür zeigt De Keersmaekers Compagnie Rosas als Remake: In "A Love Supreme" aus dem Jahr 2005 von De Keersmaeker/Sanchis kreiert, bewegen sich vier Tänzer zur Musik des gleichnamigen Albums der Jazz-Ikone des 20. Jahrhunderts, John Coltrane. Die beiden Choreografen haben es neu einstudiert als abendfüllendes Stück, in dem Improvisation und vorgegebenes Bewegungsmaterial sich ganz dem Duktus der Musik folgend ineinander verweben.

Groß heraus kommt auch die Gewinnerin des Casino Austria Prix Jardin d'Europe 2015, die finnische Choreografin und Tänzerin Elina Pirinen. Sie zeigt ihr erfolgreiches Stück "Meadow, Meadow, Meadow". Die heimische Szene vertritt u. a. Akemi Takeya, die ihre "Lemonism"-Serie fortsetzt und ausweitet, oder die kluge Anne Juren, die ihr Stück innerhalb des Projekts "The Human Body Ways of Seeing Dance" auch für Blinde und Sehbeeinträchtigte "sichtbar" macht. Männerbenachteiligung? Niemals! Auch Philipp Gehmacher und Willi Dorner sind fest eingeplant. Dass die Szenerie sich nicht nur auf Bühnen beschränkt, sondern auch in Museen aufgebaut wird, ist schon fast Tradition.

Tipp

ImPulsTanz Festival 2017. 13. 7. bis 13. 8.; Buchungsstart für Workshops am 26. 4.; Vorstellungen können ab 1. 6. online gebucht werden. www.impulstanz.com

("Kultur Magazin", Print-Ausgabe, 14.4.2017)

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